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Lyricist: Christian Morgenstern
Lyrics:
Kaspar Hauser beobachtet und dargestellt in der letzten Zeit ��������������������seines Lebens von seinem Religionslehrer und ������������������������������������������Beichtvater H. Fuhrmann ����������������������������������������������Aus dem Vorwort
����Ich �bergebe hiermit zur Steuer der Wahrheit dem gr��ern Publikum meine bis zu Kaspar Hausers letztem Lebensaugenblicke seit dem Oktober 1832 �ber ihn angestellten und fortgesetzten Beobachtungen. Nur Fakta, die ich selbst gesehen habe, gebe ich, jedes weitere Raisonnement bleibt ausgeschlossen, das Urteil wird sich von selbst ergeben.
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����Seltsame Menschen werden in der Regel in entgegengesetzten Richtungen beurteilt. Dieser Grundsatz hat sich in diesen Tagen wieder auf eine merkw�rdige Weise bew�hrt. Kaspar Hauser, dessen Geschichte bis zu seinem tragischen Ende aus einem trefflich geschriebenen Buche, das den Titel f�hrt: �Kaspar Hauser, Beispiel eines Verbrechens am Seelenleben des Menschen, von Anselm Ritter von Feuerbach�, sowie aus den Daumerschen und Merkerschen Heften, aus Zeitungen und Korrespondenzen wohl den meisten bekannt ist, liefert den Beleg dazu. Er setzt gegenw�rtig viele Gem�ter in Bewegung und die Teilnahme an seinem Schicksale hat sich bereits auf eine so lebendige Weise ausgesprochen, ist noch immer so rege, da� einige Bemerkungen �ber sein inneres Leben, �ber die Art und Weise, wie er den Religionsunterricht, der ihm zur Vorbereitung auf seine Konfirmation, welche er am 20. Mai 1833 feierte, erhalten und aufgefa�t hat, �ber sein gewaltsam herbeigef�hrtes Ende und seine letzten Lebensaugenblicke teils nicht unerwartet, teils nicht uninteressant sein werden.
����Kaspar Hauser hat im Leben seine G�nner und Gegner gefunden, die schriftlich und m�ndlich ihr Urteil �ber ihn ausgesprochen haben, und es wird auch jetzt nach seinem Tode nicht fehlen, da� entgegengesetzte Richtungen des Urteils �ber ihn sich offenbaren. M�ndlich geben sie sich bereits kund, und es steht zu erwarten, da� das auch schriftlich geschehen wird. Wenn dies nun nur von solchen geschieht, die selbst gesehen und beobachtet haben, wenn dies, gleichviel ob f�r oder gegen Hauser, mit der in solchen F�llen gerade am meisten notwendigen Ruhe, Besonnenheit und Unbefangenheit geschieht, so kann durch die nach geschlossener Untersuchung vielleicht erfolgende Ver�ffentlichung des Tatbestandes von der kundigen Hand eines t�chtigen Rechtsgelehrten manches f�r Seelen- und Rechtswissenschaft gewonnen werden, was au�erdem noch auf l�ngere Zeit verborgen geblieben w�re. H�tte Hauser uns, die wir mit regem Bedauern einen Ungl�cklichen in ihm erblickten, der nach langer unverschuldeter Gefangenschaft f�r seinen K�rper liebende Sorgfalt und Pflege, f�r seinen Geist Bildung, f�r sein Gem�t Erheiterung und Auss�hnung mit dem Leben und den Menschen, die es ihm verk�mmert hatten, bedurfte, get�uscht, was ich indessen nach meinen Beobachtungen, wenn es mir nicht mit mathematischer Gewi�heit dargetan wird, niemals glaube so m��ten wir freilich arge Trugschl�sse gemacht haben und nach ganz anderem Ma�st�be als bisher die Menschen in ihrer Denkweise bemessen. H�tten sich aber diejenigen, die noch immer an ihm irre sind, die sogar die erst am 14. ds. Mts. an ihm ver�bte schaudervolle Tat auf seine Rechnung zu schreiben nicht ungeneigt sind, in ihrem Urteil �ber ihn geirrt, was ich bis jetzt noch immer mit aller Bestimmtheit annehme, dann w�re eine milde und christlich-liebevolle Beurteilung des Nebenmenschen mit st�rkerer Sprache gepredigt als auf allen Kanzeln der Welt. ����In diesen Bogen nun soll dargestellt werden, und zwar dargestellt aus l�ngerer genauer Bekanntschaft und eigner Beobachtung. Nicht vorgefa�te Meinung, sondern aus Erfahrung gewonnene �berzeugung wird hier dargelegt. Zun�chst richte ich den Blick auf Hausers inneres Leben, wie ich es kennen gelernt habe, und ich habe ihn demnach in doppelter Hinsicht zu betrachten, einmal von seiten seines Geistes, f�rs andere von seiten seines Herzens.
����Was die erste Seite betrifft, so halte ich mich hier zuerst an die Fassungskraft und glaube, darin den nat�rlichen Weg gew�hlt zu haben. Denn es ist klar, da� die Gegenst�nde, welcher Art sie auch seien, m�gen sie der �u�ern Anschauung dargeboten werden oder blo� im Gebiete des Denkens liegen, um �ber sie ein Urteil zu f�llen und Schl�sse auf sie zu begr�nden, vorher aufgefa�t werden m�ssen. Auch wird es kaum jemand bestreiten, da� von der Art und Weise der Auffassung eines Gegenstandes die Anwendung oder Beurteilung desselben und ihre Richtigkeit oder Unrichtigkeit, Mangelhaftigkeit oder Vollst�ndigkeit abh�nge. Eben deswegen mu� die Fassungsgabe eines Menschen, die Gelegenheit, die er hatte, dieselbe zu �ben und zu bereichern, welcherlei Gegenst�nde ihn umgaben, wie sie sich ihm darboten oder gereicht wurden, sorgf�ltig ins Auge gefa�t werden, wenn wir �ber sein Tun und Treiben, wenn wir �berhaupt �ber seine Lebens�u�erungen absprechen wollen. Jedes Urteil �ber den Wert oder Unwert eines Menschen, �ber den innern Grund seiner Reden und Handlungen sollte vorher in eine Frage nach seiner Fassungskraft verwandelt werden und es w�rde manches auch mit mehr Gerechtigkeit und Liebe gef�llt werden, als es gew�hnlich geschieht. Doch ich wollte ja von Hauser reden und habe also die Frage nach seiner Fassungskraft zu beantworten. Und wie war sie? Nach meinem Urteil ein eigent�mliches Gemische von J�nglingsreife und Kindereinf�ltigkeit. Das sind Widerspr�che, wie manche sagen. Und sie haben recht. Das ist Verschrobenheit, sagen wieder andere, und auch sie m�gen, vorausgesetzt, da� sie damit nicht einen dem moralischen Werte widersprechenden Sinn ausdr�cken, gewisserma�en recht haben. Allein, m�chte man beiden entgegnen, woher soll denn die Regelm��igkeit in Hauser kommen, dessen ganze Entwicklung unregelm��ig war? Man tut diesem Ungl�cklichen so vielfach wehe, indem man ungerechte, �berm��ige Forderungen an ihn macht. Weil er einem J�nglinge gleich sah und eine J�nglingsstimme hatte, weil er auf eine fast wunderbare Weise an das Tageslicht kam, so sollte er eben so allen J�nglingen gleich stehen, sie, wenn es m�glich war, �bertreffen und ein kleiner Wundermann sein. Das geschah denn nicht. Jetzt redete er �berraschend gut �ber einen Gegenstand und zeigte t�chtige Auffassung der Gegenst�nde �berhaupt, dann aber auf einmal kam der T�lpel und man war versucht, b�se zu werden �ber den gro�en Menschen, der ein so gar kleines Ma� von Fassungskraft entwickelte. Was war davon zu sagen? Viele halfen sich kurz, waren also gleich mit der Sache fertig, indem sie dieselbe unter die vielfassende Rubrik �Betr�gerei, Verstellung� brachten. Viele wunderten sich, sch�ttelten den Kopf und konnten die Sache nicht begreifen. Allein bei genauerer Betrachtung wird teils der Verdacht gegen Hauser, teils das R�tselhafte seiner Fassungskraft verschwinden. Man darf durchaus keine Parallele zwischen ihm und unsern in normalm��igen Lebensverh�ltnissen aufgewachsenen Kindern ziehen. Bei diesen wird von der ersten Spur des Bewu�tseins, das sie verraten, durch die Mutter, die Amme, die Kindesmagd, durch den Umgang mit andern Kindern und dergl. die Fassungskraft geweckt und ge�bt.
����Bei Hauser war das alles anders. Aus den Armen seiner nat�rlichen Pfleger gerissen, geriet er gleich in den ersten Kindheitsjahren in die H�nde unnat�rlicher Menschen. Mit der T�re seines Loches, in das er gesteckt wurde, schlo� sich f�r ihn die sch�ne weite Welt und eine sehr enge, von niedrigen Mauern eingeschlossene, welche ihm nichts zur Betrachtung darbot als ein paar h�lzerne Rosse, ein St�ck Brot und einen Krug mit Wasser, war der Schauplatz seines Wirkens und Lebens. In dieser k�rperlichen und geistigen Gefangenschaft blieb er bis zu jener Zeit, wo er in N�rnberg zuerst mit Welt und Menschen bekannt wurde. Da st�rmte das Leben auf ihn ein. Die unerme�liche Zahl der Gegenst�nde, die sich ihm, sobald er etwas aufgewacht war, darbot, erdr�ckte ihn fast. Alles war ihm neu, alles gleich interessant. Aber er verstand nichts und der Totaleindruck, der hier auf ihn gemacht wurde, konnte keineswegs wohlt�tig auf seine so unge�bten, zum Teil schlummernden, zum Teil f�rmlich vergrabenen Geisteskr�fte wirken. Ich habe das oft an ihm bemerkt und w�rde jeden andern meiner Sch�ler, bei denen nat�rlich andere Voraussetzungen als bei Hauser galten, der Zerstreutheit beschuldigt oder mir Unf�higkeit, mich einem andern deutlich zu machen, vorgeworfen haben. Aber bei Hauser mu�te ich billig sein.
����Denn wer noch so m�hsam wie er an konkreten Begriffen sammelte, dem mu�ten die abstrakten allerdings des Schweren und R�tselhaften genug bieten. Ich durfte, was man doch bei dem Konfirmandenunterricht in der Regel darf, bei ihm fast gar nichts voraussetzen. Denn tat ich's bei einem Artikel, so f�hlte ich bei dem andern die daraus nat�rlich abzuleitenden M�ngel und L�cken nur allzumerklich. Er hatte zwar in N�rnberg mancherlei geh�rt und r�hmte auch die Bem�hungen der Herren Prof. Daumer und Pfarrer Hering an ihm recht dankbar; aber er hatte gar vieles davon nur �u�erst mangelhaft aufgefa�t und zeigte auch in meinem Unterrichte, da� sein Fassungsverm�gen f�r sein Alter sehr unge�bt und mangelhaft war. Ich mu�te �u�erst vorsichtig im Urteile dar�ber sein, ob er die ihm vorgetragenen Lehren begriffen habe, und nur zu oft die Wahrnehmung machen, da�, wenn bisweilen der J�ngling aus ihm dem Anschein nach recht verst�ndig sprach, mir das Kind in ihm sagte, er habe mich nicht recht verstanden. Gleicherma�en verhielt es sich mit seiner Urteilskraft. Ich kann und will hier gleichfalls nur das geben, was ich zu beobachten und wahrzunehmen Gelegenheit hatte. Sch�rfe und Stumpfheit wechselten auch hier mit einander ab. Beide erregten in gleichem Grade mein Erstaunen. Ich konnte auch hier durchaus nicht auf den J�ngling rechnen. Er sprach zwar �fters; aber von Konsequenz und Best�ndigkeit war keine Rede, denn er wurde alsbald durch das Kind verdr�ngt. Ebensowenig kann ich sagen, da� Hauser eine eigentlich scharfe Beurteilungsgabe besa�. Es gab allerdings F�lle, wo sie vorhanden zu sein schien; allein diese waren Blitzen zu vergleichen, die schnell entstehen, flammend, ja blendend leuchten, aber ebenso schnell vergehen, und die Dunkelheit oder Finsternis, die vor uns liegt, nur noch bestimmter sehen und erkennen lassen. So verhielt es sich bei ihm mit rein geistigen wie mit sinnlichen Gegenst�nden, mit Personen wie mit Sachen.
����Wenn ich aber hier sage, Hausers Urteilskraft sei keineswegs eine scharfe gewesen, so ist dies nat�rlich immer im Verh�ltnis zu seiner k�rperlichen Entwicklung zu verstehen, verm�ge welcher man dem �u�eren Anschein nach allerdings st�rkere Forderungen an ihn zu machen berechtigt gewesen w�re. Allein es wird sich weiter unten zeigen, da� auch hieran seine fr�here Lebensweise schuld war, f�r welche neben seiner Erz�hlung auch die eigent�mliche Bildung und Lage eines Teiles seiner Eingeweide spricht, und namentlich die geringe Entwicklung einiger Organe seines Gehirns, wie sie sich bei fr�hzeitig geistig angeregten Menschen nicht findet. Man w�rde daher mit Unrecht von Hauser mehr gefordert haben als er bis jetzt wirklich leistete, und man kann eben deswegen auch nicht behaupten, da�, weil man im Verh�ltnis zu seinem �u�ern nicht genug fand, H�user das nur zu sein vorgab, was er war. Nicht unbedeutend erscheint dieser Umstand aber zur Erl�uterung mancher Dunkelheiten und R�tsel, mit denen die letzte Katastrophe seines Lebens umgeben ist. Je reifer in seinem Urteil Kaspar angenommen wird, desto mehr Schwierigkeiten bietet die Untersuchung �ber sein erstes Erscheinen wie �ber seinen Austritt aus dem Leben. Je mehr wir ihm Ge�btheit im Urteil zutrauen, desto tiefer in den Hintergrund tr�ten Tausende von geistreichen und hellsehenden Menschen, welche bis jetzt in Kaspar den ungl�cklichen Findling, den bedauernswerten Menschen erblickten. Was helfen aber Annahmen, oder vielmehr, was braucht man sich mit Annahmen zu behelfen, wo Beobachtungen und eigene �berzeugung zu Gebote stehen? Und diese Beobachtungen haben mich eben zu der �berzeugung gef�hrt, welche ich gerade �ber Hauser ausgesprochen habe. Es ist nicht wissenschaftliche Sch�rfe und Pr�zision des Urteils, die ich an ihm vermi�te. Ich konnte sie ja gar nicht von ihm erwarten. Aber jene Fertigkeit, die sich bei den meisten Menschen, die im Leben und mit andern Menschen aufgewachsen sind, zeigt, die die Umgebungen richtig zu w�rdigen wei� und �ber das Geh�rte oder Gesehene oder Erlernte sich bestimmt und klar zu �u�ern versteht, meine ich hier. Daran fehlte es dem guten Kaspar. Allein wie h�tte er auch jetzt schon dazu kommen sollen? Ich habe die �berzeugung, da� er es schon dahin gebracht h�tte, wenn sein Leben l�nger gedauert h�tte. Gerade das Leben mu� hier ja helfen, der Katheder tut und kann es nicht, wenn er gleich dabei nicht entbehrt werden kann. Man kann, beispielsweise zu reden, aus dem Unterrichte in der Weltgeschichte recht viel lernen, aber weit lehrreicher ist die Geschichte, welche wir selbst leben. Daher Leute, die oft in gar kein Buch gesehen haben, ein weit gediegeneres Urteil �ber die Erfahrungen des Lebens f�llen als der, welcher eine ganze Bibliothek durchgelesen hat. An Hauser aber bemerkte ich eben diese �bung nicht, es fehlte ihm die Erfahrung, jene treffliche Lehrerin. Ich bin �berzeugt, er h�tte nachgeholt, was er ohne seine Schuld vers�umt hatte. An Anlagen fehlte es nicht, wenn sie auch nicht gl�nzend waren, aber an Ausbildung derselben; nicht zwar, was seine Lehrer anbelangt, denn da sah man aus vielen Reminiszenzen, die er vorbrachte, da� viel an ihm geschehen war, sondern an jener Ausbildung, die das Leben gew�hrt.
����Von Seite des Herzens habe ich an Hauser manchen Vorzug bemerkt, und es ist mir nicht leicht ein Mensch von mehr Sanftmut, Weichheit, Freundlichkeit, Gef�lligkeit, G�te und Liebensw�rdigkeit vorgekommen, als er. Ich hatte vielfache Gelegenheit, dieses alles zu beobachten. Auch gegen keinen Menschen fand ich ihn feindselig gestimmt, gerne redete er von jedem das beste, dabei war er aber weit entfernt, die Fehler oder Laster, die er an andern bemerkte, nicht als solche zu erkl�ren. Sie beleidigten sein sittliches Gef�hl, aber er urteilte immer mit �u�erster Schonung �ber den Fehlenden. Besonders wohl gefiel er mir bei einer Gelegenheit, wo ihm Unrecht getan wurde, indem man einen Wunsch, den er hegte, und wozu ich ihm selbst die Anregung gab, aus unlauteren Motiven ableitete. Er f�hlte das schmerzlich und weinte heimlich; allein nicht ein bitteres Wort kam �ber seine Lippen. Er f�gte sich und h�tte eher alles getragen, als sich rauh und unfreundlich ausgesprochen, ja er redete sogar mir beruhigend zu, als ich mit tadelnder Verwunderung mich �ber die Sache �u�erte.
����Ein besonders sch�ner Zug in seinem moralischen Charakter war seine Mildt�tigkeit gegen Arme. Sah er einen, oder h�rte er von der Not desselben, so bedurfte es keiner weitern Aufmunterung, um ihn zur t�tigen Unterst�tzung zu bewegen. Er teilte verschwenderisch seine Gaben aus und hatte nur immer die Sorge dabei, ob es denn auch genug sei, was er gegeben habe. Noch eine Stunde vor seiner Verwundung legte er davon eine Probe in meinem Hause ab, auf die ich sp�ter unten kommen werde. Doch eine andere Tatsache will ich hier erw�hnen, welche charakteristisch ist. Hauser war in der Familie des Herrn von *** einheimisch, er war, wie man zu sagen pflegt, wie das Kind im Hause. T�glich beinahe, wenigstens wann es ihm m�glich war, kam er in diesen ehrenwerten Kreis und unterhielt sich da oft mit Schachspiel, worin er in der letzten Zeit einige Fertigkeit erlangt haben soll. Es wurde eine Kleinigkeit bestimmt, welche der Verlierende in eine gemeinschaftliche Kasse zahlen mu�te, woraus dann die Ausgaben f�r kleine Partien u. dgl. bestritten wurden. Bereits waren wieder einige Gulden angefallen. Als nun, w�hrend Hauser das Geld z�hlte. Fr. v. *** fragte: �Was werden wir denn dieses Mal damit machen?� so antwortete er kurz entschlossen: �Wir wollen es den Armen geben, und da fragen Sie nur den Herrn Pfarrer Fuhrmann, der kennt alle Armen!� Dieser Antrag wurde in der edlen Familie allgemein angenommen, und Fr. v. *** lie� mich vor einigen Tagen zu sich kommen, machte mich mit dem Vorgange bekannt und h�ndigte mir die durch einen Beitrag von ihrer Seite vermehrte Summe ein. Bereits sind schon mehrere recht D�rftige mit Unterst�tzungen erquickt, deren erfreute Mienen dem vollendeten Hauser sein behaglich liebliches L�cheln gewi� entlockt h�tten. Ich nannte diesen Zug charakteristisch, und zwar aus dem Grunde, weil Hauser, immer ein Freund von Lustpartien und �berhaupt �u�erst lebenslustig, lieber einen Genu� opferte, wenn er nur den Armen Gutes tun konnte. Aber er gab nicht pharis�isch. Nicht um sich, sondern um die Sache war es ihm zu tun.
����Was seinen pers�nlichen Mut anbelangt, so fand ich denselben ganz, wie ihn v. Feuerbach schildert. Hauser war furchtsam, und recht kindisch furchtsam, ganz das Gegenteil von dem, was er fr�her gewesen war. Er kannte einst keine Furcht, man mochte auf ihn hauen oder schie�en. Solange ich ihn kannte, war das anders. Ging man mit einem Messer oder �berhaupt einer Waffe auf ihn los, so konnte man ihn treiben, wohin man wollte. Bittend und flehend und nicht mit erheuchelten, sondern mit wahren Geberden und Bewegungen der Angst zog er sich zur�ck und kauerte sich, fand er einen Winkel, ballf�rmig in demselben zusammen. Ich erprobte das selbst, aber ganz absichtslos. Ich war n�mlich mit ihm in dem Hause des Herrn ***, eines Mannes, der mit ganz besonderer T�tigkeit in Hausers Angelegenheiten wirksam war. Unter mehreren Gegenst�nden im Zimmer befand sich auch in einer Ecke ein sch�ner Kavalleristens�bel, welchen ich bewunderte und, weil er mir sehr gro� vorkam, um seine Schwere zu untersuchen, aus seiner eisernen Scheide zog und mit gestrecktem Arme vor mich hinhielt. Als ich das letztere tat, stund Hauser mehr als die doppelte L�nge des S�bels von mir entfernt am Fenster und es war unm�glich, ihn von meinem Platze aus zu erreichen. Dennoch stellte sein Gesicht die Wirkungen des gr��ten Schreckens dar, und er bat mich flehentlich, das gef�hrliche Instrument wieder an seinen Ort zu bringen. Ich willfahrte. Hauser war wieder froh wie vorher, und ich bedauerte es, diesen guten Menschen in eine so gro�e Angst gesetzt zu haben.
����Hauser konnte keinem Menschen wehe tun sehen und machte mir, wie ich an seinen Mienen nicht undeutlich sah, �fters stille Vorw�rfe, wenn er mich mit meinem kleinen Knaben zanken h�rte, und ich mu�te mich dann f�rmlich bei ihm verantworten und ihm auf das weitl�ufigste demonstrieren, da� Wilhelm so hei�t mein Kleiner seinen Verweis wohl verdient habe. Einen andern Beweis von seinem Mitleid hat mir eine �u�erst achtungswerte Dame erz�hlt. Er war bei ihr zu Tische geladen. Da betrug sich dann eines der Kinder etwas widerspenstig und bildete einen augenblicklichen Gegensatz gegen den guten sanften Kaspar, welcher mit stillem Unbehagen das Benehmen des Unartigen betrachtete. Die Dame, hierdurch gereizt, bediente sich des Ausdrucks: �Ach lieber Gott, man sollte doch alle Knaben bis zu ihrem zw�lften Jahre ins Loch sperren, damit sie sich keine solche Unarten angew�hnen k�nnen.� Als Hauser diese Worte h�rte, sprach er beruhigend: �Ach nein, das w�re das h�rteste, was man sich denken kann, da w�rden ja alle Knaben und auch der gute Fr. da um ihre ganze Kindheit gebracht.�
����Neben diesen �u�erungen seiner Herzensg�te bemerkte ich, wie schon erw�hnt, ziemliche Lebenslust bei ihm. Von einem Konzerte, das er besuchen, einem Balle, dem er beiwohnen, einer Gesellschaft, an der er teilnehmen durfte, h�rte ich ihn immer mit einem gro�en Wohlbehagen sprechen. Am Theater hatte er eine besondere Freude. Wenn man ihn aber mit einer von den ehrenwerten Familien dahier, wo er liebevolle Aufnahme gefunden hatte, auf einem Spaziergange oder bei einer Landpartie sah, so wurde man hingerissen von der lieblichen Freundlichkeit, die sein ganzes Gesicht �berstrahlte. Wenn er etwas dergleichen vor sich wu�te, so war er wie ein Kind. Er war zerstreut und allzu sehr nach au�en gekehrt, so da� es manchmal der zurechtweisenden Aufmunterung bedurfte, um seine Aufmerksamkeit dem Lehrgegenstande zu erhalten.
����Doch wenn ich ihm dann ein Gebot oder Verbot gegeben hatte, so konnte ich auf den bereitwilligsten Gehorsam rechnen. H�tte ich von ihm verlangt, er solle seine Lektion bei mir um Mitternacht nehmen, ich glaube, er w�re mit derselben Freundlichkeit und Bereitwilligkeit gekommen, mit der er immer morgens um acht Uhr in mein Zimmer trat. Nie habe ich den geringsten Widerspruchsgeist an ihm bemerkt. Er war stets sanft, hingebend, folg- und duldsam. Wollte ich ihn aber recht im Eifer sehen, so durfte ich nur einen kleinen Lobspruch spenden. Denn etwas eitel, aber im unschuldigen kindlichen Sinne, erschien mir Kaspar immer. Er hatte gerne sch�ne Kleider und putzte sich �berhaupt gerne, hatte es auch gar gerne, wenn man seine Sachen, seine Geschicklichkeit in einzelnen Dingen anerkannte oder bewunderte, und zeigte nach meinem Urteile in dieser Beziehung sich mehr m�dchenhaft. �berhaupt bemerkte ich, wenn ich Gelegenheit hatte, ihn im geselligen Umg�nge zu beobachten, da� er sich mehr an das weibliche als m�nnliche Geschlecht anschlo�. Ich fand aber auch darin nichts Besonderes, sondern vielmehr etwas sehr Nat�rliches. Es ging ihm bei den Frauen, als dem weicheren zarteren Geschlechte, im Grunde auch besser als bei den M�nnern, die ihm zwar Teilnahme und Freundlichkeit, aber niemals jene innige, z�rtliche schenken konnten, die den tiefer f�hlenden weiblichen Seelen eigent�mlich ist. Auch pa�te meiner Meinung nach Hausers Charakter mehr zu den Frauen als zu den M�nnern. Er war noch bei weitem nicht der rasche ungest�me J�ngling, der er seinen Jahren, die man ihm ansah, und seiner Stimme nach h�tte sein sollen. Er war der sanfte, liebliche Knabe auf seiner geistigen Entwicklungsstufe, dem das rauhe Wort wehe tut; er war die Pflanze, die nur das milde Spiel des weichen Zephirs ertragen kann, noch nicht der junge Baum, der durch des Sturmwinds Andrang immer tiefer wurzelt. Ich glaube, da� er unter diejenigen Menschen geh�rte, �ber die das sanfte Wort alles vermag, welche aber dagegen durch rauhe harte Behandlung leicht so verwirrt werden k�nnen, da� sie gar nicht mehr wissen, was sie tun, oder lebenslang ein sch�chternes Mi�trauen gegen jeden hegen.
����Endlich mu� ich noch sagen, da� ich ihn immer recht offen und aufrichtig gegen mich fand. Ich gewahrte nicht leicht eine Unwahrheit an ihm, eine L�ge aber nie. Zu dem ersten hatte er bei mir gar keinen Grund und zu dem andern schien er mir viel zu gutm�tig. Mag er nun bei andern auch manchmal eine Unwahrheit gesagt haben, so sehe ich darin gar nichts anderes, als jene allt�gliche Erscheinung, die sich bei den meisten, ja, es wird nicht zu k�hn behauptet sein, bei allen Kindern seines geistigen Alters findet. Wer Vater oder Mutter ist oder wer sich mit der Erziehung von Kindern abgegeben hat, wird das gar wohl bemerkt und in jenen kindischen Unwahrheiten, die er an seinen Kindern oder Pfleglingen wahrgenommen hat, nicht gerade einen Fehler seiner Kinder, sondern der Kinder �berhaupt erkannt haben, die in der Regel Egoisten sind und, um in ihrer Behaglichkeit nicht gest�rt zu werden, ihren Willen durchzusetzen, einer Strafe zu entgehen usw. es mit der strengen Wahrheit nicht so ganz genau nehmen, ohne deswegen L�gner zu sein. Dieses Wort sagt viel. Es setzt ausdr�ckliche Bosheit und Verschmitztheit voraus und den festen Willen, zu schaden. Von allen diesen Dingen nahm ich aber an Hauser auch nicht das Geringste wahr.
����Aus seinen �u�erungen, die er zu mir �ber die Personen, welche sich seiner angenommen hatten, machte, konnte ich auch recht wohl ein mit warmer Dankbarkeit erf�lltes Herz entnehmen. Er �u�erte sich so liebevoll, so gem�tlich �ber sie alle, verriet eine so gro�e Anh�nglichkeit, ein so warmes Freundschaftsgef�hl f�r sie, da� ich eine recht lebendige Aufforderung darin fand, sein kindliches Vertrauen zu erwerben. Er erz�hlte so gerne von ihnen, wie viele Beweise ihrer Liebe er erfahren. Wenn ich ihm dann sagte: �Sehen Sie, mein lieber Kaspar, wie sehr Sie Ursache haben, gegen den lieben Gott recht von Herzen dankbar zu sein, sehen Sie, wie er, der gute Himmelsvater, so recht wunderbar und liebevoll f�r die Ungl�cklichen sorgt,� so traten ihm alsbald die Tr�nen in die Augen. Bemerkte ich ihm ferner, da� er seinen Wohlt�tern nicht besser danken k�nne, als wenn er sich alle M�he g�be, ein recht guter und brauchbarer Mensch zu werden, so sprach er mit gr��ter Entschiedenheit den Vorsatz aus, auch alles dazu aufzubieten. ��������������������������������������������������������II.
����Doch ich will nun zu einem andern Abschnitte �bergehen und Hauser, den ich bisher so darstellte, wie ich ihn als Mensch im allgemeinen fand, nun als Sch�ler in meinem Konfirmandenunterricht darstellen. Er konnte ihm nicht erteilt werden wie den �brigen Kindern, die schon an der Mutterbrust den lieben Gott kennen lernen, von ihrem sechsten oder siebenten Lebensjahre an im Verh�ltnis zu unserm ungl�cklichen Kaspar als wahre Gelehrte die Schule besuchen und, nachdem sie da sieben bis acht Jahre auf die mannigfachste Weise mit Gott und seinen Offenbarungen bekannt gemacht worden sind, im Konfirmandenunterricht teils Rechenschaft davon zu geben haben, wie sie die ihnen bereits mitgeteilten Lehren aufgefa�t, teils zur verh�ltnism��ig vollkommenen Erkenntnis des Christentums �berhaupt, teils zur bestimmten Auffassung des Symbols der Kirche, zu welcher sie sich bei dem Konfirmationsakte verpflichten, gebracht werden sollen. Sch�chternheit und Freude waren daher die Gef�hle, welche in meinem Heizen k�mpften, als das wohlwollende Vertrauen sehr geachteter M�nner den merkw�rdigen Findling meinen H�nden anvertraute. Ich war begierig, recht begierig auf die erste Stunde, wo er zu mir kommen w�rde, verkannte das Schwierige meiner Aufgabe an ihm keineswegs und fand auch, als ich den Unterricht mit ihm begann, da� v. Feuerbach recht hatte, wenn er von ihm behauptete, �da� der ihm eingeborene Pyrrho bei vielen Gelegenheiten immer wieder zum Vorschein kam.� Es war bei ihm immer ein guter Vorrat von anschaulichen Beispielen notwendig und ich kann mit Wahrheit sagen, da� die Zeit vom Oktober 1832 bis zum Mai 1833, welche ich in w�chentlich f�nf bis sieben Stunden zu seinem Unterricht verwendete, f�r mich als Jugendlehrer eine sehr lehrreiche gewesen ist. So t�chtig die Herren Professor Daumer und Pfarrer Hering in N�rnberg und Herr Lehrer Meyer dahier mir in die Hand gearbeitet hatten, so fand ich dennoch recht viel zu tun. Indessen die gute, gem�tliche, unschuldsvolle und nach religi�ser �berzeugung so begierige Seele Hausers erleichterte mir vieles und machte mir die Unterrichtsstunden zu wahren Freudenstunden. Die Zeit verging so schnell und angenehm, da� Kaspar und ich uns oft wunderten, wenn die Uhr uns sagte, wir seien statt einer zwei Stunden zusammen gesessen.
����Da Hauser in N�rnberg nach dem Spenerschen Katechismus seinen Unterricht zum Teil erhalten hatte, da ferner in diesem Buche der lutherische Katechismus ganz erkl�rt wird, so behielt ich denselben bei; die Bibel aber war und blieb das Hauptfundament. Allein ich mu�te, wie schon erw�hnt, eine ganz andere Methode in dem Gebrauche des Lehrbuches befolgen als es bei jungen Leuten, die den Konfirmandenunterricht gew�hnlich genie�en, der Fall ist. Bei jedem, der nicht im Zustande der Verwilderung aufgewachsen ist, findet der Lehrer Ankn�pfungspunkte f�r die positiven Lehren des Christentums wie f�r die charakteristische Auffassung und Darstellung derselben von seiten der Kirchengesellschaft. Das Ged�chtnis ist vertraut mit den Haupts�tzen derselben, der Verstand nimmt das meiste von denselben auf, ohne den geringsten Zweifel zu hegen, ein inneres N�tigungsgef�hl, wie es ein bekannter theologischer Gelehrter nennt, bestimmt ihn dazu, ohne seiner Selbst�ndigkeit wehe zu tun, weil es in dem Gebiete derselben einheimisch ist. Bei Hauser war das nun freilich anders. Zwar war sein Ged�chtnis durchaus nicht leer, sondern zeugte ganz unzweideutig davon, da� viel an ihm geschehen war.
����Allein je mehr sein Verstand sich entwickelte, je mehr der Kreis seiner Lebenserfahrungen sich erweiterte, desto mehr zeigte sich in ihm der Mangel fr�herer oder, wenn ich so sagen darf, urspr�nglicher Geistesentwicklung. Vor�bung und weitere Bildung machten bei ihm nicht eigentlich verschiedene Perioden aus, sondern fielen fast in eins zusammen. Indessen kam ich, unterst�tzt durch die oben angegebenen, in Hausers Individualit�t liegenden moralischen Mittel, nach meinen Wahrnehmungen, zwar nicht ohne gro�e Schwierigkeit, doch zu einem erfreulichen Ziele.
����Es liegt nicht in dem Plane dieser Bogen, Stunde f�r Stunde zu verzeichnen, was mit Hauser und von ihm in dem Konfirmandenunterricht geschah. Teils k�nnte ich das nicht mehr mit genauer historischer Treue, teils w�rde vieles weder interessant noch ungew�hnlich erscheinen, teils w�rde ich eine weitl�ufige theologisch-p�dagogische Abhandlung zu schreiben haben. Nur einiges will ich anf�hren, um einerseits zu zeigen, wie Hauser den Unterrichtsstunden beiwohnte, andererseits, wie es anzufangen war, um den Aufforderungen, die an den Religionslehrer im Verh�ltnis zu ihm gemacht wurden, zu gen�gen. Aus seinen sonderbaren Schicksalen nahm er zwar keine Veranlassung zu Einwendungen gegen Gottes segensvolles Dasein, wie er es einst (nach Feuerbachs Buch) getan hatte, sondern er war schon so weit, die Spuren desselben in der wohlt�tigen �nderung seines Lebensganges zu erkennen und zu preisen. Allein dennoch fehlte es nicht an Augenblicken, wo das Entz�cken �ber Gottes Vollkommenheit sich in sogar tadelnde Bemerkungen verwandelte. Als Beweis f�r das erstere will ich nur anf�hren, da� Hauser in einer der ersten Unterrichtsstunden sich ungef�hr so gegen mich �u�erte: �Anfangs, als ich nach N�rnberg gekommen war, konnte ich mir gar keinen Begriff von etwas Geistigem machen, und es war mir nicht m�glich, mir einen Gott zu denken, der allgegenw�rtig ist. Ich meinte, zu jedem einzelnen Gegenstand der Natur, den ich erkannte, sei jemand notwendig, der ihn verfertige und dann an seinen Platz stelle. Jetzt denke ich freilich anders, der Herr Professor (Daumer) hat mich eines bessern belehrt. Besonders sehe ich aus der Ver�nderung, die mit meinem Schicksale vorgegangen ist, da� Gott viel m�chtiger und viel besser ist als alle Menschen. Denn es waren doch die Menschen, die mich eingesperrt hatten, und am Ende vielleicht umbringen wollten. Das litt aber der allm�chtige Gott nicht, sondern er hat mich erhalten, und es ist mir jetzt recht wohl in der Welt, in die er mich gef�hrt hat: Es ist mir ein rechter Trost, da� ich Gott kenne, denn nun wei� ich es, da� ich nicht verlassen bin, wenn ich auch von allen Menschen versto�en w�rde.�
����Da ich gleich anfangs mit Hauser (bei dem es mir, wie ich ihn und seine Begebenheiten auffa�te, ganz besonders darum zu tun war, da� er sich gleich bei mir in der Stunde als vollkommen einverstanden mit den religi�sen Wahrheiten, die ich ihm vortrug, zeige, da ich bei ihm nichts dem Leben �berlassen wollte oder durfte), ausgemacht hatte, da� er nicht etwa dieses oder jenes mir zulieb bis auf weiteres m�ge dahingestellt sein lassen oder nur darum annehmen, weil ich es ihm sage, so fehlte es ganz nat�rlich nicht an Oppositionen und Einwendungen. Indessen kamen diese alle aus einem so unbefangenen Herzen, trugen alle das Gepr�ge der Gutm�tigkeit in so hohem Grade an sich, da� ich daraus nur das Bestreben, seiner Sache gewi� zu sein, nicht das, blo� einen Widerspruch einzulegen, wahrnahm. Gerne war ich daher bereit, aufzubieten, was ich vermochte, um diese heilsdurstige Seele zu befriedigen, und ich will hier aus den mancherlei Notizen, die ich mir �ber den Gang seiner religi�sen Bildung nach jeder Lehrstunde machte, einige mitteilen.
����Am 24. Oktober 1832 redeten wir unter anderm davon, da� Gott, von dem alles herkomme, das allervollkommenste Wesen sein m�sse. Hauser schien im Anfang damit einverstanden. Aber auf einmal fing er an: �Wie ist es doch m�glich, da� der vollkommene Gott so etwas B�ses schaffen konnte wie die Schlange, durch welche die ersten Eltern verf�hrt wurden, und den Apfel, durch dessen Genu� sie in ein so gro�es Elend kamen!� Ich schlug darauf die Bibel auf und bemerkte ihm, da� Gott den Baum ja nicht f�r den Menschen geschaffen habe und eben deswegen denselben ausdr�cklich warnte, nicht davon zu essen, weil er gerade ihm sch�dlich sei.
����Daraus folge noch keineswegs, da� er an und f�r sich b�se gewesen w�re. Ferner k�me es auch nicht darauf an, anzunehmen, da� die Schlange ausdr�cklich gesprochen habe wie wir Menschen sprechen. Die Eva k�nne auch die Worte, welche nach der mosaischen Darstellung der Schlange in den Mund gelegt werden, bei sich selbst gesprochen haben, indem sie die Schlange behaglich von dem den Menschen verbotenen Baume fressen sah. Gott habe jeder Art von Gesch�pfen ihre eigent�mliche Nahrung angewiesen und zu dem Menschen darum warnend gesprochen, weil derselbe nicht blo� einem tierischen Triebe, sondern freier, auf Gr�nden beruhender Wahl zu folgen habe. Und wenn wir auch annehmen, die Schlange habe wirklich gesprochen, so liege in der Art und Weise, wie sie sich an die Eva wandte, durchaus nichts Gott Unanst�ndiges und es sei nicht in ihm die Ursache des menschlichen Falles zu suchen, sondern in dem Menschen selbst, der die von Gott ihm anerschaffene Freiheit mi�brauchte und eben deswegen auch alle traurigen Folgen seiner Tat h�tte tragen m�ssen. Hauser zeigte sich damit zufrieden und wir schieden, nachdem wir vorher unser Schlu�gebet gesprochen hatten, auseinander. Am 26. Oktober hatte er wieder Lehrstunde und am Ende derselben brachte er den erst vor zwei Tagen besprochenen und nach meiner Meinung abgefertigten Gegenstand abermals zur Sprache, wiederholte in betreff des Baumes der Erkenntnis des Guten und B�sen seine fr�here Bemerkung und wollte Gott die Schuld des B�sen in der Welt beilegen. In diesem Augenblicke trat eines meiner M�dchen mit Namen Julie ins Zimmer und fragte mich irgend etwas Gleichg�ltiges. Ich beantwortete ihre Frage und wendete mich an Hauser etwa so: �Sehen Sie, lieber Hauser, dieses M�dchen, welches ich als mein Kind herzlich liebe. Glauben Sie wohl, da� ich ihm etwas versagen werde, wenn ich sehe, da� es ihm n�tzlich ist, oder da� ich etwas ihm Sch�dliches in seiner N�he stehen lasse, ohne es vor dem Gebrauch desselben zu warnen?
����Warnt man nicht auch Sie, mein lieber Freund, vor gef�hrlichen Sachen, indem man Ihnen die damit verbundenen Nachteile f�r Sie sagt? Nehmen Sie nun an, ich stelle, ehe wir miteinander fortgehen, zwei Gl�ser mit roter Fl�ssigkeit auf unseren Tisch, welche sich durch ihre �u�ere Form genau unterscheiden. In dem einen sei roter Wein, aber es sei weniger sch�n als das andere, in welchem sich rote Farbe befindet. Ehe ich gehe, bemerke ich der Julie: :Siehe, liebes Kind, aus diesem Glas da, ob es gleich sch�n ist, darfst du nicht trinken, es ist etwas f�r dich Sch�dliches darin. H�te dich also davor und beweise mir dadurch deinen Gehorsam. Wenn du aber aus dem andern weniger sch�nen Glase trinken willst, so sei es dir erlaubt, es ist roter Wein darin.9 Nun gehen wir beide fort. Julie aber, die allein ist, betrachtet die Gl�ser und denkt: :Es ist doch recht sonderbar, da� mir der Vater das sch�ne Glas verbietet9, betrachtet es lange, tritt n�her und immer n�her, ber�hrt es mit der Hand, fa�t es an, trinkt daraus und schreit laut auf, denn es ist eine �tzende rote Fl�ssigkeit darin, wodurch sie sich den ganzen Mund verbrennt und sehr krank darauf wird. Wer tr�gt die Schuld?�
����Hauser war gleich mit der Antwort da: �Die Julie!� und setzt hinzu: �Nun versteh ich das auch mit dem Baum im Paradiese und sehe, da� ich nur noch nicht recht dar�ber nachgedacht habe, als ich meinte, der liebe Gott h�tte den Baum nicht schaffen sollen. Der Baum hat keine Schuld und der liebe Gott auch nicht, sondern die Menschen, die davon a�en.�
����Mit der Ewigkeit Gottes wollte Hauser nur insofern einverstanden sein, als er ihm zwar kein Ende, aber doch einen Anfang mit und zu einer gewissen Zeit beilegen zu m�ssen glaubte. Es waren mancherlei Beispiele n�tig, um ihm zu zeigen, da� alles mit und in der Zeit Entstandene nur wieder durch ein anderes entstehen kann, da� aber alles, was zeitlich entsteht, den Keim seines Untergangs in sich selber trage, und eben darum auch zu einer bestimmten Zeit aufh�re, und da� man bei ernstem Nachdenken �ber die erschaffenen Dinge endlich auf einen Sch�pfer kommen m�sse, der die Ursache seines Daseins in sich selber habe und deswegen nicht aufh�ren k�nne, weil er nicht gleich den andern erschaffenen Wesen angefangen habe.
����Betrachtet man aber den Zweifel Hausers �berhaupt, so ergibt sich als Resultat, da� Gef�hl f�r Religion zwar dem Menschen angeboren sei, aber die Kenntnis derselben durchaus erworben werden m�sse.
����Als wir miteinander von Gottes Allmacht, Allgegenwart und Allwissenheit sprachen und ich meinem Sch�ler au�er einigen Bibelspr�chen, welche jene g�ttlichen Eigenschaften lehren, auch einige Bibelgeschichten zum Beweise anf�hrte, so sagte er mir, da� ihm diese Erkenntnis sehr wohlt�tig sei und da� er auch in seinem Leben, so kurz es sei, denn als seines Lebens Anfang bezeichnete er seinen ersten Auftritt in N�rnberg, recht ernste Hinweisungen auf sie erhalten habe. Begierig, welche es seien, erz�hlte er mir den am 17. Oktober 1829 gegen ihn gerichteten Mordversuch und noch eine Veranlassung, bei der er durch eigene Unvorsichtigkeit beinahe sein Leben verloren h�tte. Mit dem letzteren verhielt es sich folgenderma�en: Hauser wohnte damals im Hause des Herrn Biberbach in N�rnberg und hatte eine Aufgabe auszuarbeiten, zu der er eines Buches bedurfte, welches auf einem Brett an der Wand eines Zimmers stand. Er stieg auf einen Stuhl und fiel gerade, als er das Buch von seinem Orte herablangen wollte, selbst herab. Im Fallen ri� er aber eine an der Wand h�ngende geladene Pistole herunter, deren Schu� ihn an der rechten Schl�fe ziemlich verwundete. Ich habe die Narbe dort selbst gesehen und gef�hlt. �Bei diesen beiden Gelegenheiten,� meinte er, �habe ich doch recht deutlich sehen m�ssen, da� Gott alles wei� und �berall ist und viel m�chtiger ist als die Menschen. Ich w�re gewi� get�tet worden ohne ihn, w�hrend ich jetzt nur mit Narben davon gekommen bin.� ����Bei der Gerechtigkeit Gottes fiel es dem Hauser auf, da� der liebe Gott, wie er ihn gew�hnlich nannte, es doch so manchem guten Menschen nicht gar gut, sondern oft recht �bel gehen lasse. Er selber kenne solche. Als ich ihm aber den Unterschied zwischen �u�erem und innerem Gl�cke auseinandersetzte, da sagte er: �O wie will ich mich h�ten, b�se zu sein, damit ich mir meinen inneren Frieden erhalte. Mit diesem kann ich arm und �u�erlich recht elend, im Herzen aber doch ruhig sein und mein Elend eher tragen, als wenn ich ein B�sewicht bin!�
����Als von der G�te Gottes die Rede war, so war Hauser unersch�pflich in Bemerkungen �ber dieselbe und versicherte, da� er dieselbe in seinem Leben ganz vorz�glich erfahren habe. �Der liebe Gott,� sagte er, �gibt mir weit mehr als ich verdiene und brauche. Gewi� will er mir dadurch zu verstehen geben, da� ich gegen die Menschen recht g�tig sein soll. Ich will es aber auch sein.� Ich habe manche Gelegenheit bemerkt, bei der er diese Gesinnung durch die Tat bew�hrte, und auch von sehr achtbaren Personen dieses Zeugnis �ber ihn vernommen.
����Die Gnade Gottes leuchtete ihm besonders, als ich ihn auf sich selbst verwies und zur ernsten Selbstpr�fung aufforderte, vollkommen ein, denn, sagte er, ich bin bei weitem noch nicht so gut als ich vor Gott sein sollte, ich habe noch recht viel zu tun an mir und der Herr Meyer mu� oft viel Geduld mit mir haben.� In einer Unterrichtsstunde, wo wir von den Engeln, dem Teufel, der S�nde sprachen, fand ich bei Hauser f�r die Lehre von den ersteren viel Empf�nglichkeit. Aber �ber den Teufel machte er mir folgende Bemerkung: �Es ist doch recht sonderbar, niemand hat noch einen Teufel gesehen und doch wollen ihn die Leute abbilden. Sie malen ein ganz h��liches Gesicht mit Bocksh�rnern, einen sonderbaren menschlichen Leib mit Bocksf��en und einem langen Schweif. Sagen Sie mir doch, ob denn das das rechte Bild vom Teufel ist?� Ich sagte zu ihm, ob er wohl eine h��lichere Figur sich denken k�nne als die, welche durch eine solche Zusammensetzung entstehe. Als er das verneinte, sagte ich ungef�hr so: �Lieber Hauser, um dem Menschen das B�se recht ver�chtlich zu machen, mu� man auch f�r das Auge das allerh��lichste und absto�endste Bild w�hlen. Wenn Sie nun wieder eine Abbildung wie die eben von Ihnen beschriebene sehen, so denken Sie ja nicht, da� Sie etwa ein Portr�t von einer Person sehen, die jemand gesehen hat, sondern lassen Sie sich immer dabei einfallen: :So h��lich w�rde ich in den Augen Gottes sein, wenn ich ein b�ser Mensch w�re.9 Hauser war zufrieden gestellt und versprach, immer ein recht guter Mensch zu sein.
����In bezug auf die S�nde bemerkte er: �Hier ist mir immer etwas aufgefallen. Es ist doch recht sonderbar, da� Gott dem Menschen den Gedanken des B�sen eingab.� Als ich ihn fragte, woher er denn das wisse, da� Gott dem Menschen den Gedanken des B�sen eing�be, so sagte er: �Die Menschen handeln ja b�se und wenn sie die Gedanken dazu nicht h�tten, so w�rden sie nicht b�se handeln.� Ich bemerkte ihm, da� Gott dem Menschen zwar das Denkverm�gen, aber durchaus nicht den b�sen Gedanken eingegeben, da� er in ihm nicht eine Schachfigur dieses Beispiels bediente ich mich, weil ich wu�te, da� Hauser Schach spielte , sondern ein Wesen geschaffen habe, das vollkommene Freiheit zu w�hlen besa�, was man ohne alle Kunst und Deutelei daraus schlie�en k�nne, da� Gott bei dem Baum im Paradiese, von dem wir ja bereits gesprochen h�tten, den Menschen vor dem Mi�brauche seiner Freiheit durch die Darstellung der Folgen desselben gewarnt habe. Durch die Auseinandersetzung dieser Gedanken beruhigte ich Hauser zwar ziemlich, jedoch bemerkte ich, da� ich anschaulicher werden mu�te, um ihm ganz deutlich zu sein. Ich mu�te also in die Welt der �u�ern Erscheinungen heraus und ad oculos demonstrieren. Da w�hlte ich denn das Beispiel eines Messers oder einer Schere, mit welchen Instrumenten der Mensch ebenso gut seinen Nutzen f�rdern als sich t�dlich verwunden k�nne und fragte meinen Sch�ler: �Was w�rden Sie wohl zu einem Menschen sagen, der sich mit einem Messer in den Finger schneidet und im Schmerze ausriefe: :Ach, wenn es doch keine so gef�hrlichen Instrumente g�be! Der Verfertiger derselben ist doch ein recht eigener Mensch, da� er sie machte!9 Hauser lachte und sagte: �Ich w�rde ihn damit auslachen und ihm sagen: :Warum hast du denn auch das sonst so n�tzliche Instrument so ungeschickt gebraucht?9� �Und � sagte ich darauf �wenn Ihnen nun jemand einen Einwurf der Art machte, wie Sie mir ihn eben �ber Gott gemacht haben, da� es sonderbar von ihm sei, da� er dem S�nder den Gedanken des B�sen eingegeben habe?� �So w�rde ich,� sagte Hauser, zufriedengestellt, �ihm antworten, wie Sie mir, und er m��te dann zufrieden sein, wie ich es jetzt bin!�
����Besonders stark und entr�stet sprach sich aber Hauser bei Gelegenheit des zweiten Gebotes gegen diejenigen Menschen aus, die einen falschen Eid schw�ren oder eine eidliche Versicherung oder Zusage brechen. Solche, meinte er, k�nne man gar nicht hart genug bestrafen.
����In v. Feuerbachs Buch �ber Hauser kommen folgende Stellen vor: �Sah er (Hauser) einen Pfarrer, so geriet er in Schreck und Entsetzen. Fragte man ihn um die Ursache, so antwortete er: :Weil mich diese Leute schon sehr gepeinigt haben.9 ����������������������������������������������Kaspar Hauser
����Nach der Steinzeichnung von Fr. Hanffstengel, Kempten 1830.
����In Kirchen war es Kasparn ebenfalls gar nicht wohl zumute. Die Kruzifixe darin erregten ihm ein entsetzliches Schaudern, indem seine Vorstellung noch lange Zeit den Bildern unwillk�rlich Leben verlieh. Das Singen der Gemeinde d�nkt ihm ein widerliches Schreien. :Zuerst,9 sagte er einmal nach einem Kirchenbesuche, :schreien die Leute, und, wenn diese aufh�ren, f�ngt der Pfarrer zu schreien an.9� Man k�nnte in diesen �u�erungen Zeichen der Frivolit�t und wenig Anlage zur Religiosit�t erblicken, wenn man in Hauser sich den 1718j�hrigen J�ngling d�chte. Allein, da er von diesem nur den K�rper, vom Kinde dagegen die Seele hatte, so f�llt dieses Bedenken weg. Und das um so mehr, als sich Hausers Urteil und Ansicht hierin durchaus ge�ndert hat. Ich hatte Gelegenheit, das zu bemerken, als wir vom dritten Gebote mit einander redeten. Er erz�hlte mir bei dieser Gelegenheit, da� er die Erlaubnis habe, in einem Zimmer des Appellationsgerichts, dessen Fenster in die Kirche gingen, die Sonntagspredigt anzuh�ren. Gerne gehe er dahin, weil er nach seiner �berzeugung da and�chtiger sein k�nnte als zu Hause in seinem Zimmer, wo ihm immer allerlei einfalle, was nicht zum Beten geh�re, und wo es ihm auch schon geschehen sei, da� er durch Besuche an der �bung seiner Andacht gest�rt wurde. Um zu sehen, mit welchem Erfolge Hauser die Kirche besuche, unterhielt ich mich �fters mit ihm �ber die am Sonntag vorher gehaltene Predigt und bemerkte mit Vergn�gen, da� er den religi�sen Vortr�gen mit Andacht und Aufmerksamkeit beiwohne. Bisweilen erz�hlte er mir auch unaufgefordert, welchen Eindruck die Sonntagspredigt auf ihn machte. Es wird wohl hier kaum notwendig sein zu erw�hnen, da� ich hierbei nicht die von mir gehaltenen Reden meine, weil diese meine Darstellung sonst in doppelter Beziehung als Eitelkeit betrachtet werden k�nnte; sondern ich rede hier von meinen hiesigen Herren Kollegen, die gew�hnlich des Vormittags predigen.
����Das vierte Gebot erf�llte mich, als ich mich mit Hauser dar�ber unterhielt, mit Wehmut. Er hatte ja seinen Vater und seine Mutter nie gesehen und gekannt. Er beneidete meinen kleinen Wilhelm, der �fters ins Zimmer zu mir kam, da� dieser einen Vater habe. Aber sein Gef�hl sprach sich nicht etwa aus wie bei einem Menschen, der seine Eltern, die er kannte, durch den Tod verloren hat. Es war nicht jene Wehmut, die einen solchen durchdringt, welche sich in Hauser regte, sondern mehr die Sehnsucht nach einem zwar noch nicht empfundenen, aber doch von andern ganz besonders s�� geschilderten Genu�. H�tte ich im gegebenen Falle nicht lieber das Verh�ltnis der Eltern und Kinder nur fl�chtig andeuten sollen, um Hausers Gem�t zu schonen? Manche m�gen es glauben. Ich war und bin entgegengesetzter Meinung. Der Schleier �ber Hausers Schicksal konnte bei seinen Lebzeiten noch zerrissen und Vater und Mutter vor ihm stehen als �bergl�ckliche Menschen, die ihr geraubtes und nun wieder gefundenes Kind an die hochklopfende Brust dr�ckten, oder sie konnten vor ihm stehen als die entlarvten Tyrannen, die sch�ndlich genug ihr Kind einem �u�erlichen Gewinne opferten, oder sie konnten ihn als gute oder b�se Menschen in der Ewigkeit erwarten. Jeden dieser F�lle hatte ich vor Augen, als ich das Kindesgef�hl in ihm zu wecken bem�ht war. In jedem dieser F�lle sollte Hauser den Christen im wahren Sinne des Worts darstellen. Bis aber die Zukunft hell und klar werden w�rde, sollte er, das war mein Bem�hen, den Himmelsvater als seinen Vater desto inniger verehren und seine kindliche Liebe denen weihen, die ihm Vater- und Muttersorge gaben.
����Als wir einmal auf die Rachsucht zur Rede kamen, so fand ich bei ihm keinen Ankn�pfungspunkt. Er kannte ihre Regungen nicht und ich glaube, da� niemand diese Untugend, die so gew�hnlich unter den Menschen teils als Gesinnung, teils als Wort, teils als Tat sich ausspricht, an ihm bemerkt hat. Ich wenigstens m��te der Wahrheit untreu werden, wenn ich ihm nicht hier �ffentlich das Zeugnis g�be, da� er nach meinem Urteil keines Rachegedankens f�hig, ja da� er denselben als entehrend f�r den Menschen und h�chst t�richt hielt. �Denn,� sagte er unter anderem, �das ist doch recht t�richt, wenn ich an einem Menschen das zu tun w�nsche, was ich schlecht und lieblos nannte, als er es an mir tat!� Bei dem sechsten Gebote sprach sich Hauser recht kindlich aus und meinte, das ginge ihn gar nichts an, da er nicht verheiratet sei und sich auch nicht verheiraten werde, weil er gar nicht absehe, was man eigentlich mit einer Frau anfange. Es werde ihm alles, was er nur immerhin brauche, gereicht, und wenn er mit Frauenzimmern reden wolle, so k�nne er das ja auch tun. Da ich ihm erkl�rte, er k�nne ja nicht wissen, was noch in Zukunft aus ihm werde, und was er dann tun w�rde, und ich m�sse ihm deswegen durch das sechste Gebot jenen Sinn empfehlen, der nur das denkt, redet und tut, was Gott und die Menschen immer sehen d�rften, ohne die Liebe und Achtung vor uns zu verlieren: so h�rte er mich aufmerksam an und lie� sich's gefallen.
����Das achte Gebot gab ihm besondere Veranlassung, sich dar�ber auszusprechen, welche Torheit und wie b�se das sei, etwas, das einem als Geheimnis anvertraut werde, weiter zu sagen. Nicht einmal im gr��ten Vertrauen d�rfte es geschehen. Was einem anvertraut werde, das m�sse man f�r sich behalten, sonst verdiene man gar kein Vertrauen.
����Der vollendete v. Feuerbach sagt in seinem mehrfach angef�hrten Buche, worin er Hausers fr�heren Seelenzustand schildert, nachdem er von den Bem�hungen Daumers, demselben zur Gotteserkenntnis zu verhelfen, und von den vielen Schwierigkeiten, die ihm seines Sch�lers Zweifel verursachten, gesprochen hat: �Aus diesem wenigen mag man nun schlie�en, wie es vollends mit der positiven Religion, mit der christlichen Dogmatik, mit dem Geheimnis der Vers�hnungslehre und andern dergleichen Lehren stand.�
����Feuerbach selbst glaubte anfangs, ich w�rde gerade mit diesen Lehren vielleicht am wenigsten auf Hauser wirken k�nnen. Allein die �bung zeigte es anders.
����Gerade hier sprach Hauser das meiste, das erhabenste Gef�hl aus, gerade hier zeigte er eine R�hrung und Eifer, der jedem, der ihn so sah, wie ich, zur Bewunderung hingerissen h�tte. Seine Tr�nen flossen unz�hlig bei der Erz�hlung der Geschichte Jesu Christi, sein Wort und seine Geb�rde dr�ckten die tiefste Ehrfurcht, die heiligste Bewunderung gegen den leidenden Erl�ser aus. Da ich ihm fr�her im einzelnen die Entzweiung des Menschen mit Gott und das aus derselben hervorgehende Bed�rfnis der Vermittlung und Vers�hnung nachgewiesen, da ich ihm aus seinem eigenen Innern den Beweis daf�r geliefert hatte, so begriff er leichter als ich dachte. Zwar meinte er einmal, Gott h�tte ja auch ohne den grausamen Tod des unschuldigen Jesu Christi uns Menschen von der S�nde lossprechen und mit der verlorenen Seligkeit wieder beschenken k�nnen, ein Bedenken, das sich im nat�rlichen Menschen so oft und vielfach ausspricht. Allein, da ich mich bei meinem Sch�ler weder in weitl�ufige philosophische Deduktionen noch in dogmatische Demonstrationen einlassen durfte, denen sein geistiges Ich nicht gewachsen war, so mu�te ich, auf eine k�nftige weitere Entwicklung seiner Geisteskr�fte bauend, mich nur auf weniges beschr�nken, was ihm sein Bedenken heben k�nnte, ohne dabei seine Ehrfurcht vor Gott zu schw�chen oder etwa gar in den Schein zu kommen, ihm etwas aufzudr�ngen, was sich mit seiner �berzeugung durchaus nicht vereinen k�nne. Ich schlug daher folgenden Weg bei ihm ein, da� ich ihn zur�ckf�hrte in die Lehrstunden, wo wir miteinander von Gottes Weisheit, Gerechtigkeit, Gnade gesprochen hatten. �Damals,� sagte ich zu ihm, �waren Sie von der Wahrheit dieser Eigenschaften vollkommen �berzeugt und gaben sich zufrieden, als ich Ihnen sagte, diese Weisheit und Gerechtigkeit wirkten gar oft nicht augenscheinlich f�r uns, wir m��ten sie aber zugeben, weil einesteils ihr Dasein und Wirken sich uns sp�ter kund gibt, andernteils unsere Einsicht viel zu beschr�nkt sei, sie zu ergr�nden. Aus diesem letzteren Grunde haben wir Menschen immer die Frage in Bereitschaft, ob denn diese oder jene Begebenheit nicht eben so gut auch anders sich h�tte zutragen k�nnen, als sie sich wirklich zugetragen hat. Aus eben diesem Grunde, so bald wir einmal die Weisheit Gottes f�r erhabener als die unsrige erkennen, m�ssen wir aber annehmen und einsehen lernen, da� das, was er tut, gerade so, wie es geschehen ist, und nicht anders geschehen konnte. Wollen Sie aber auch hier ein in die Augen fallendes Beispiel, so denken Sie sich Christum als denjenigen, der eine fremde Schuld zur Bezahlung freiwillig f�r den Fall �bernommen hat, als der Schuldner nicht zahlen kann, oder als einen B�rgen. Der Schuldner ist das Menschengeschlecht, der Gl�ubiger ist Gott, die Schuldenlast, der Tod, ist durch die S�nde bewirkt. Wenn wir sie nicht bezahlen, dann sind wir ewig verloren. Da sendet uns Gott aus lauter Erbarmen in Jesu Christo, seinem eingeborenen Sohne, einen B�rgen zu, der unsere Schuld zahlt, den Tod erleidet, ohne demselben zu erliegen, weil er, wie Sie wissen, am dritten Tage wieder auferstanden ist.� Diese Worte sind indessen nur das Resumee einer weitl�ufigen Unterhaltung, die ich mit Hauser �ber diesen Gegenstand hatte, aber aus mancherlei Umst�nden hier ausf�hrlich nicht wiedergeben kann noch will. Es wird aber jeder Unbefangene aus den bisherigen Mitteilungen ersehen, da� es dem nun vollendeten Ungl�cklichen um religi�se Belehrungen sehr angelegentlich zu tun war, und aus der Art und Weise seiner Einw�rfe ein Gem�t entnehmen, welches voll kindlicher Gef�hle war und einen Geist, der so ziemlich stark mit den Schwierigkeiten seiner Entwicklung zu k�mpfen hatte.
����Bei der Lehre von den Sakramenten h�tte ich mehr Einwendungen von ihm erwartet als ich wirklich erfuhr. Allein selbst diejenigen, die er machte, waren von weniger Erheblichkeit und werden darum hier �bergangen. Nur das finde noch eine Stelle, da� ich dem Hauser sagte und auch selbst v�llig �berzeugt bin, da�, wenn die Religion zu nichts weiter Anla� gibt, als zu d�rren, herzlosen Verstandser�rterungen, sie entweder an sich selbst oder f�r den, der sich auf keine andere Weise mit ihr zu besch�ftigen wei�, aufgeh�rt habe, Religion zu sein, d.h. jenes heilige Band der Ehrfurcht und Liebe, das die Herzen mit dem lieblichsten Zuge nach oben hebt und Trost und Frieden von dort herab, gleich einem milden, erquickenden Fr�hlingstau, in sie herabsenkt. Der Ahnung und dem Glauben mu� immer ein weites gro�es Feld bleiben. Aber dieses ist nicht eine �de Steppe, wie sie der kalte egoistische Verstandesmensch nennt, der von dem sonderbaren Grundsatz ausgeht, was ich nicht begreifen kann, ist nicht wahr, sondern es ist eine Aue, mit den lieblichsten Blumen bewachsen, deren herrliche Formen dem Auge wohltun, deren liebliche Wohlger�che mit verj�ngender Kraft auf die Seele wirken, die sich unter ihnen ergeht. Deswegen empfahl ich meinem Hauser ein emsiges, andachtsvolles Lesen in der Bibel, eine besondere Aufmerksamkeit auf den Gang seines Lebens, flei�igen Besuch der Kirche und frommes, fortgesetztes, demutsvolles Nachdenken �ber die bereits geh�rten religi�sen Wahrheiten. Er aber gelobte es mir und wir beschlossen unsere Lehrstunden, welche, wie ich mit Wahrheit in der von mir zum Druck bef�rderten �Konfirmationsfeier Kaspar Hausers� S. 7 sagte, sch�ne selige Stunden f�r mich gewesen sind, um in wenigen Tagen jene Feier zu begehen.
����Der 20. Mai des vorigen Jahrs war der feierliche Tag, von welchem noch jetzt Hunderte als von einem Tage der Erhebung f�r sie sprechen. Es war Hausers Konfirmationstag. Die angesehensten hiesigen Familien, in welchen mit wahrer Christenmilde kindliche Gef�hle in dem Bedauernswerten erweckt worden waren, umgaben ihn und seine Pfleger und F�hrer, welche ihn auf seinem heiligen Gange in die zum Erdr�cken angef�llte Kapelle der sch�nen hiesigen Gumpertuskirche begleitet hatten. Hier wurde zuerst aus dem bayrischen Gesangbuche das Lied Nr. 2: �Herr, vor deinem Angesicht hat die Andacht uns versammelt� von der ganzen Gemeinde gesungen. Hierauf betrat ich, als Religionslehrer und Beichtvater Hausers, den Altar, sprach ein Gebet und hielt zuerst an die ganze Versammlung, sodann an Kaspar Hauser eine kurze Anrede, in welcher ich an den Zweck der Feier erinnerte. Nach Beendigung derselben trug ein S�ngerchor unter der Leitung des Stadtkantors D�rrner das Gebet: �Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen gewissen Geist; verwirf mich nicht von deinem Angesicht und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir� vierstimmig vor.
����W�hrend dieses Gesanges kniete Hauser auf einem Betschemel vor dem Altare. Der Augenblick aber, in welchem er sich niederlie�, die R�hrung, mit der er im stillen obige Worte betete, brachten auf die ganze Versammlung eine au�erordentliche Wirkung hervor. Aller Lippen regten sich leise; aller Herzen beteten mit ihm und f�r ihn. Nach Beendigung des Gesanges erhob sich Hauser wieder, und ich richtete nun, in gedr�ngtester K�rze wiederholend, womit wir uns w�hrend der Lehrstunden besch�ftigt hatten, das Wort ausschlie�end an ihn. Wer den Inhalt desselben genau lesen will, der wird sich sein Benehmen in religi�ser Beziehung auf dem Sterbebette erkl�ren k�nnen und in einzelnen seiner �u�erungen, an welche sich der Zweifel so gerne h�ngen m�chte, nichts Befremdendes finden.
����Nach der Konfirmationshandlung sah ich Hauser bei einem freundlichen Familientische wieder, wozu ich gleichfalls gezogen wurde. Hier bemerkte ich Ernst und stilles Nachdenken an ihm und eine gewisse Verkl�rtheit seines Gesichts, die mir sehr wohltat und woraus ich den Beweis entnahm, da� ihm die christliche Wahrheit zu Herzen gegangen und eben deswegen der Eindruck seiner Konfirmationsfeier auf ihn ein sehr tiefer, belebender war. Ich machte einen Spaziergang ins Freie mit ihm und meine Bemerkung war die n�mliche. Wie langsamer Nachklang einer zarten Saite erschien mir seine Seele.
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����Mit dem Konfirmationstage kam Hauser auf einige Zeit aus meinen H�nden und ich sah ihn seltener. Immer aber war er gegen mich der Freundliche und Zuvorkommende, der er w�hrend der Unterrichtszeit gewesen war. Im Monat November aber trat er auf den Wunsch Lord Stanhopes, welcher von einem sehr t�chtigen Manne dahier in ihm angeregt worden war, wieder zum Religionsunterricht bei mir ein. Nicht als ob Lord Stanhope, welchem von t�chtigen Leuten, die sich Hausers angenommen hatten, best�ndig Bericht �ber denselben erstattet wurde, mit seinen Fortschritten nicht zufrieden gewesen w�re, fand er es im allgemeinen sehr zweckm��ig, diese unm�ndige Seele auf dem religi�sen Gebiete noch nicht sich allein zu �berlassen, sondern sie noch tiefer in die Geheimnisse derselben einzuweihen. Um meine Ansicht dar�ber befragt, mu�te ich nat�rlich beistimmen und war der Meinung, meinen wieder neu eingetretenen Sch�ler durch flei�iges Lesen und Erkl�ren der Bibel zu diesem Ziele zu f�hren. Dabei wollte ich ihn aber auch mit der �u�eren und inneren Geschichte der Religion vertraut machen und es war daher auch ein Abri� der Kirchengeschichte, der biblischen Einleitung, der einzelnen Symbole unserer Kirche notwendig. Deswegen w�hlte ich mir als Lehrbuch dazu: �Anleitung zu einem ausf�hrlichen und gr�ndlichen Unterricht in der christlichen Religion, nach den sechs Hauptst�cken des lutherischen Katechismus f�r Jugendlehrer und Religionsfreunde bearbeitet von Ernst Christian Pfitzner, Pfarrer zu Neurode und Tro�dorf im Herzogtume Gotha; Gotha und Erfurt 1824; in der Henningsschen Buchhandlung�, welches ich schon �fters mit gro�em Nutzen beim christlichen Religionsunterricht h�herer Art gebraucht hatte. Bis zur dreizehnten Lehrstunde waren wir bereits vorger�ckt und hatten in dem genannten Buche die Seiten 1 16 durchgegangen. Auf der 17. Seite, auf welcher unter anderem der Gleichnisse Erw�hnung geschieht, in welchen Christus lehrte, weilten wir noch und lasen am 14. Dezember vorigen Jahres, dem letzten, verh�ngnisvollen Tage, welchen Hauser in meinem Hauser teilweise hinbrachte, das XXII. Kapitel des Evangeliums Matth�i vom 1. 14. Verse, wo das Himmelreich in Beziehung auf die Berufung zu demselben mit einem K�nige verglichen wird, der seinem Sohne Hochzeit macht und unter den G�sten einen findet, der das ihm gebotene Festkleid verschm�ht hatte und darum als unpassend zu den �brigen Erschienenen f�r unw�rdig erkl�rt wird, in ihrer Gesellschaft zu sein. Vers f�r Vers betrachtete ich mit Hauser auf das ernsteste den ber�hrten evangelischen Abschnitt und fand bei ihm, wie immer, wenn er in meinen Lehrstunden war, ungeteilte emsige Aufmerksamkeit.
����Doch sei es mir gestattet, ausf�hrlicher �ber alles zu reden, was sich in dieser Zeit, die Hauser bei mir zubrachte, zugetragen hat; denn ich halte es f�r entscheidend im Urteil �ber seine Katastrophe.
����Am 14. Dezember v. Is. also kam Kaspar Hauser, es war an einem Sonnabend, morgens 8 � Uhr zu mir, um wie gew�hnlich an diesem Tage seine Religionsstunde zu nehmen. Als er kam, war ich eben besch�ftigt, meinen Tisch, an dem wir dieselbe hielten, abzur�umen. Ich hatte n�mlich f�r meine Kinder einige Bilderb�gen gekauft, deren Figuren ich ausgeschnitten und auf starkes Aktendeckelpapier aufgezogen, ferner auf kleine H�lzchen zum Aufstellen aufgeleimt hatte. Zu diesen Figuren nun wollte ich K�stchen von Pappendeckel machen. Hierzu mu�te ich aber, weil sie zu den Weihnachtsgeschenken geh�rten, welche bis zum Empfange unbekannt bleiben sollten, die Abendstunden w�hlen, wo die Kinder zu Bette lagen, und die Morgenstunden, wo sie noch schliefen. Daher fand mich denn auch Hauser am 14. Dezember, als er morgens kam, in der oben angegebenen Besch�ftigung. Nach den gew�hnlichen Begr��ungen zeigte ich ihm ein bereits fertiges K�stchen und sagte: �Da sehen Sie, lieber Kaspar, wie sehr ich mich plagen mu�; ich pappe hier Schachteln. Es kommt mir aber hart an, da ich, wie Sie schon aus der Form dieses K�stchens hier sehen werden, in Arbeiten der Art gar nicht erfahren bin.� Hauser betrachtete das K�stchen, l�chelte, sch�ttelte den Kopf und meinte: �Ja, ich sehe es! Doch,� setzte er hinzu, �f�r das erstemal ist es doch nicht �bel!� �Ja,� sagte ich zu ihm, �ich bin aber dennoch in einiger Verlegenheit. Meine Frau hat den Wunsch ausgesprochen, ein h�bsches Pappendeckelk�stchen zur Aufbewahrung ihrer Locken zu besitzen. Ich w�re bereit, ihr ein solches zu kaufen, wenn ich nicht w��te, da� es, von mir selbst gearbeitet, doppelten Wert f�r sie h�tte. Sie sehen aber selbst, lieber Kaspar, welche Figur aus meinen H�nden hervorgehen wird.� Mit seiner angenehmen und bekannten Gef�lligkeit antwortete mir Hauser auf der Stelle: �Da lassen Sie sich von mir helfen; ich kann es, denn ich habe es bei Schnerr in N�rnberg gelernt; ich will es Ihnen gleich zeigen!� �Jetzt nicht, lieber Kaspar�, sagte ich, �wir haben jetzt etwas wichtigeres zu tun; wir wollen unsere Religionsstunde halten.� Wie gew�hnlich, ohne die leiseste Widerrede, f�gte sich Hauser, sprach sein Anfangsgebet und wir hielten unsere Stunde. Nicht die mindeste Zerstreutheit war hierbei bemerkbar, sehr aufmerksam h�rte er mir zu, als ich ihm die oben angef�hlte neutestamentalische Stelle erkl�rte. Um 9 � Uhr schlo� ich und Hauser ging, nachdem er sein Schlu�gebet gesprochen, von mir weg und ich scherzte ihm nach, weil er von vielen Arbeiten sprach, die er noch auf dem Appellationsgerichte bei Herrn Inspektor Meyer habe: �So w�nsche ich, da� Sie einmal Appellationsgerichtsrat werden; aber vorher m�ssen Sie mich noch in Papparbeiten unterrichten.� Er versprach, heute noch den Anfang damit zu machen, und gleich nach Tische wieder zu kommen.
����Noch hatte es nicht 1 Uhr geschlagen, als mein Kaspar schon wieder bei mir war. Ich war noch nicht auf meinem Zimmer. Bis ich kam, unterhielt er sich mit meinem �ltesten Sohne, dem Gymnasialsch�ler Gei�mann, und ich fand beide, als ich vom Mittagstische kam, in sehr heiterm Gespr�che miteinander. Nun sollte es frisch an die Arbeit gehen, aber es waren noch keine Pappendeckel bei der Hand. Ich bot mich an, mit Kaspar fortzugehen und welche zu holen, sagte aber zu ihm, da ich zum Ausgehen noch nicht angezogen sei, k�nne er mir diesen Gang ersparen und die Pappendeckel bei der Kaufmannswitwe Loschge, welche nur 49 50 Schritte von meinem Hause entfernt wohnte, selbst aussuchen. Er war damit einverstanden, ging und kam eher, als ich es vermutete, mit zwei starken Pappendeckeln wieder zur�ck. Nun setzte er sich an den Tisch, zog sein Taschenmesser heraus und fing an, zuzuschneiden und zwar mit der rechten Hand, immer dabei mich belehrend. �ber dieser Arbeit wurde es nahe an 2 � Uhr. Ich sah auf die Uhr und sagte: �Lieber Kaspar, ich werde jetzt einen Augenblick in der Kirche nachsehen, ob sich niemand zur Kommunion bei mir angemeldet hat. Da es aber nicht sch�n Wetter ist, sondern, wie ich sehe, etwas schneit und regnet, so wird wohl niemand gekommen sein und ich werde daher recht bald wieder zur�ck sein. Arbeiten Sie unterdessen fort und lassen Sie sich die Zeit nicht zu lange werden.� �Ich gehe auch fort,� sagte er, und als ich ihn fragte, wohin, so antwortete er mit aller Unbefangenheit: �Zu Fr�ulein L. v. Stichaner, wo es wohl auch eine �hnliche Arbeit, ich glaube an einem Licht- oder Ofenschirm, geben wird. Sie k�nnen aber (mir einige Handgriffe zeigend) schon allein fortarbeiten. Morgen nach Tische werde ich wieder kommen und weiter arbeiten. Ich lasse meine Sachen bei Ihnen liegen. Wenn Sie auch nicht zu Hause sind, so macht das gar nichts. Lassen Sie mir nur Ihren Zimmerschl�ssel zur�ck; die Frau Pfarrerin soll nicht erfahren, was ich mache.� �Gut�, sagte ich, �aber ich habe Ihnen die Pappendeckel noch nicht bezahlt; was kosten sie denn?� �Die sind schon bezahlt,� sprach er darauf. Ich erwiderte ihm: �Allerdings, aber nicht von mir, und ich kann doch meiner Frau nicht eine Unwahrheit sagen, wenn ich ihr das K�stchen gebe; es kommt dann ja nur zum Teil von mir; ich will es ihr aber ganz gegeben haben!� Hauser sagte darauf mit seinem L�cheln, in welchem ich immer den Ausdruck der h�chsten Liebensw�rdigkeit fand: �Aber ich will auch dazu helfen; Sie k�nnen ja das der Frau Pfarrerin sagen!� Nach einigem Z�gern willigte ich ein und wir schickten uns zum Fortgehen an. In diesem Augenblicke l�utet es an meiner Gangt�re. Ich �ffne, und eine arme Frau bittet mich um ein Almosen, weil sie gar kein Holz habe. Hauser bemerkt das, und ich sehe ihn, von mir weggekehrt, in seinem Geldbeutelchen suchen. W�hrend ich der Armen eine Kleinigkeit reiche, gibt er ihr gleichfalls etwas und fragt mich leise: �Kennen Sie diese Frau, dann will ich ihr mehr geben!� Als ich ihm sagte, da� sie mir unbekannt sei, lie� er es bewenden. Heiteren Mutes gingen wir nun die Treppe hinab und als wir unten angekommen waren, sagte ich zu ihm: �Sie k�nnten jetzt durch meinen Garten gehen, dann w�ren Sie schneller bei Fr�ulein L. v. Stichaner. Indessen es ist da schmutzig und der Herr hat junge Beine, kann schon einen kleinen Umweg machen und mich noch ein St�ckchen Wegs begleiten!� Herzlich lachend willigt Kaspar ein und wir gehen Arm in Arm fr�hlich plaudernd bis an das Haus der genannten Witwe Loschge miteinander. Dort trennte uns der Weg. Kaspar ging gerade aus, sch�ttelte mir zum Abschied die Hand mit wahrhaft kindlicher Freundlichkeit, und ich bog links in die Gasse ein, die zu meiner Kirche f�hrt.
����Als ich dort kein Gesch�ft f�r mich fand, besuchte ich die unter meiner Aufsicht stehende Kleinkinderschule, traf dort mit der W�rterin einige Veranstalten zum heil. Christ f�r meine Kleinen und ging hierauf nach Hause, wo ich einige n�tige Arbeiten besorgte. W�hrend ich damit besch�ftigt bin, st�rzen zur einen T�re meines Zimmers meine Magd, zur andern meine �lteste Tochter herein und rufen beide: �Wissen Sie es schon, der Hauser ist im Hofgarten erstochen worden!� �Im Hofgarten?� frage ich zweifelnd und erschrocken. �Ja, im Hofgarten,� erhalte ich zur Antwort, will es aber immer noch nicht glauben. Endlich (es war nahe an 5 Uhr) lege ich meine Arbeit beiseite, laufe mehr, als ich gehe, in das Haus des Schullehrers Meyer, welchem bekanntlich Hauser �bergeben war und finde leider die mir gewordene traurige Nachricht best�tigt. Drei �rzte waren daselbst, ferner eine Stadtgerichts- und eine Polizeikommission. Meine erste Frage war nach der Gef�hrlichkeit der Wunde, und die Antwort, die ich erhielt, war, die Wunde sei zwar nicht tief, indessen k�nne man �ber ihre Gef�hrlichkeit noch kein bestimmtes Urteil f�llen. Es ist aber hier zu bemerken, da� bis zur Ankunft jener Herren �rzte die sehr tiefe und absolut t�dliche Wunde sich wahrscheinlich von innen geschlossen hatte, weswegen sie mit der Sonde nicht mehr genau untersucht werden konnte. Indessen ging ich in Kaspars Zimmer. Aber wie erschrak ich �ber ihn. Bleich, entstellt, ein Bild des Schreckens lag er in seinem Bette, das Gesicht gegen die Wand gekehrt. Ich schleiche zu ihm, und als er sich wendet und mich starr ansieht, sage ich zu ihm: �Kaspar, lieber Kaspar, was ist Ihnen geschehen? Ach! wie find ich Sie!� Kaspar, ohne den Blick zu wenden, ruft �ngstlich mit �u�erst ged�mpfter Stimme: �Herr Meyer, Herr Meyer!� �Kaspar, lieber Kaspar,� wiederhole ich, �kennen Sie mich denn nicht? Ich bin ja nicht der Herr Meyer, ich bin Fuhrmann, Ihr Lehrer, Ihr Freund, bei dem Sie ja erst vor ein paar Stunden so froh und zufrieden gewesen sind!� �Herr Meyer, Herr Meyer,� wiederholte, mit dem St�hnen eines Sterbenden, Kaspar und setzt hinzu: �Die Mutter soll kommen, die Mutter soll kommen, die Mutter!� Diese Worte sprach er mit der gr��ten Hast und, wie seine Geb�rden zeigten, ohne ihren Sinn zu wissen. Auf meine Frage, wen er denn unter der Mutter meine, zeigte man mir die Frau des Herrn Polizeikommissar K., Herrn Meyers w�rdige Schwiegermutter, welche im Zimmer war, und an welche, weil sie seiner in Verbindung mit der Familie Meyer immer so liebreich und teilnehmend gepflegt hatte, Kaspar eine wahrhaft kindliche Anh�nglichkeit hatte. Frau K. trat nun an Hausers Bette, beugte sich mit aller Liebe einer Mutter �ber ihn hin und fragte ihn auf das z�rtlichste: �Was wollen Sie denn, lieber Hauser, was fehlt Ihnen denn?� �Die Mutter soll kommen! die Mutter!� und ein sehr �ngstliches St�hnen war die Antwort.
����Gleich darauf legte er sich wieder auf die Seite und schien zu schlummern, ich aber verlie� sein Zimmer und ging in ein anderes, wo ich den seidenen Beutel, auf den Hauser nach den �u�erungen der Anwesenden so viel Gewicht legte, sah, und die auf ein darin gelegenes Duodezbl�ttchen seines Schreibpapier von der Rechten zur Linken mit Bleistift geschriebenen Zeilen las, die w�rtlich also lauteten: �Hauser wird es euch ganz genau erz�hlen k�nnen, wie ich aussehe und woher ich bin. Denn Hauser die M�he zu ersparen, will ich es euch selber sagen, woher ich komme Ich komme von der bayerischen Grenze Am Flusse Ich will euch sogar meinen Namen sagen: M. L. O.�
����Da ich nun noch nichts Genaueres �ber den Hergang der Sache wu�te, so erkundigte ich mich, nachdem ich den Brief gelesen, nach dem Zusammenhang der Umst�nde und erfuhr folgendes: Hauser st�rzte, als eben Herr Meyer im Zimmer bei seiner Gattin stand, welche gerade in einem f�r jeden Schrecken ungeeigneten Zustande sich befand, mit starr ge�ffneten Augen atemlos herein, die Arme nach seinem Pfleger ausstreckend, der nicht wu�te, ob er die einer Ohnmacht nahe Gattin oder seinen wie einen Wahnsinnigen sich geb�rdenden Pflegling zuerst ansehen sollte. Mit Schrecken und dem Ausrufe des Entsetzens bemerkte Herr Meyer alsbald, da� Hauser unterhalb des Herzens blute und einen Stich habe. Auf das angelegentlichste und eindringlichste fragte er ihn, wo ihm denn das geschehen sei. Aber statt aller Antwort deutete Hauser durch Zeichen an, da� er nicht imstande sei, zu sprechen, fa�te Herrn Meyer hastig beim Arm und zog ihn mit heftiger Gewalt mit sich fort, die Stiege hinunter, zum Hause hinaus durch die Reitbahn und das Schlo�. Da er noch so schnell zu gehen vermochte und sonst nicht kraftlos erschien, so glaubte Herr Meyer nicht, da� es Gefahr mit ihm habe. Unterwegs fragte er ihn oft, wo denn seine Verwundung geschehen sei, konnte aber keine Antwort aus ihm herausbringen, da er nach allen Zeichen nicht sprechen konnte, sondern nur immer weiter zu gehen verlangte. Herr Meyer gibt mit M�he nach, und als sie an die au�erhalb des Schlosses auf dem Schlo�platz gelegene sogenannte offene Reitschule kommen, fragt Herr Meyer, Unsicherheit an Hausers Gang bemerkend: �War's vielleicht im Hofgarten?� und kehrte, als Hauser es durch deutliche Zeichen bejahte, mit ihm um. Auf dem R�ckwege fing Hauser an, in abgebrochenen Worten zu sprechen, woraus man abnehmen konnte, da� ihm ein gro�er Mann im Mantel mit schwarzem Schnurr- und Backenbart beim Uzschen Denkmal einen Beutel gegeben und einen Stich versetzt habe, und da� er den Beutel habe fallen lassen. Bei den letzten Worten wollte er wieder umkehren und den Beutel holen. Herr Meyer gab das aber nicht zu, sondern brachte unter dem Versprechen, der Beutel sollte geholt werden, den Verwundeten nach Hause, wo er auch sogleich zu Bette gebracht wurde. �rzte, Polizei, Stadtgericht wurden nun von der Sache in Kenntnis gesetzt und nach dem Beutel sogleich fortgeschickt, den man auch am Fu�e des Uzschen Denkmals wirklich vorfand. Dieser Beutel, l�nglich-viereckig, ist ohne besondere Kunst aus lilablauem Seidenzeug zusammengen�ht und mit wei�em Seidenzeug gef�ttert, hat oben einen Zug, durch welchen zwei Schn�rchen gezogen sind. Darin nun fand sich das oben angegebene Briefchen oder vielmehr Zettelchen. Mit dem Beutel selbst verhielt es sich etwa so: W�hrend Hauser, der nach seiner Angabe von einem ihm unbekannten Fremden, allen Umst�nden nach bei schwerem Verbot, etwas davon zu entdecken, an das Uzsche Denkmal vielleicht unter dem Vorwande bestellt war, da� ihm nun sein ganzes Schicksal bekannt gemacht und alle Aufschl�sse, nach denen er sich sehnte, gegeben w�rden, den fraglichen Beutel, welchen der Fremde fallen lie�, aufheben wollte, erhielt er zwischen die sechste und siebente Rippe auf der linken Seite einen Stich, der, wie die Sektion auswies, �u�erst gef�hrlich, der absolut t�dlich war. Ob Hauser nach seiner Verwundung st�rzte und einige Zeit bewu�tlos auf dem Boden lag, oder ob er sogleich in einer Art von Todesangst nach Hause rannte, konnte ich nicht ermitteln. Genug, er kam zu Hause an, wie wir aus dem bereits Erz�hlten wissen.
����In derselben Nacht soll er auch die Besorgnis ge�u�ert haben, er werde wohl sterben m�ssen, was er sich indessen wieder ausreden lie�. Am folgenden Tage war er bei sich, aber stark mit Gelbsucht befallen und unf�hig, ein Gespr�ch oder einen Gedanken lange fortzuf�hren. Er bekam h�ufige Schw�chen.
����Am Montag, am 16. Dezember, war ich mittags zwischen 12 und 1 Uhr bei ihm, fand ihn sehr gelbs�chtig aber heiter, wenn er gleich sehr kurz und schwer atmete und �ber Schmerzen in der linken Seite klagte. Er sprach mit mir, meinte, es gehe ihm jetzt besser und h�rte es gerne, als ich ihm bemerkte, wenn er wieder gesund sei, mich ja zu besuchen und mit seiner Kunst zu unterst�tzen, ja er gab mir sogar einige belehrende Winke, wie ich unterdessen allein in unserer unterbrochenen Arbeit fortfahren k�nnte. Da ich indessen doch bemerkte, da� ihm das viele Sprechen wehe tue, entfernte ich mich, ihm ein christlich-ergebenes aufrichtiges Gebet zu dem himmlischen Vater empfehlend, der es gewi� bald wieder gut mit ihm machen werde.
����Da ich Kasparn so auf dem Wege einer schnell fortschreitenden Besserung w�hnte, glaubte ich, er werde nun nur der Erholung wegen noch einige Tage das Bett h�ten m�ssen, und nahm mir vor, am n�chsten Tage, am 17. Dezember, ihm einen Abendbesuch zu machen, um ihm ein paar Stunden durch Unterhaltung zu verk�rzen und dadurch auch die Nacht ihm weniger lang zu machen. Ich a� zu dem Ende mit meiner Familie, der ich meinen Entschlu� bekannt gemacht hatte, nach sieben Uhr zu Abend und stand mit den Worten vom Tische auf: �Nun will ich mich anziehen und sehen, was mein Kaspar macht.� Eben nehme ich den Hut vom Nagel, da pocht es gewaltig an meiner Stubent�re, und atemlos tritt Herrn Meyers Magd herein mit den Worten: �Sie m�chten so schleunigst als m�glich zu Herrn Hauser kommen; er stirbt!� Man kann sich denken, da� ich nicht z�gerte. Ich lief trotz Sturm und Regen und Finsternis, es war gegen acht Uhr des Abends, durch die Stra�en und kam auch wirklich eher als die mich rufende Magd in Hausers Wohnung an. Um mich vorher nach dem Zustande des Patienten zu erkundigen, ging ich in Herrn Meyers Wohnung und fand nebst dem Gerichtskommiss�r drei �rzte daselbst, welche auf meine Fragen nach Hauser mir antworteten, da� er Mitternacht nicht �berleben werde; diesen Nachmittag sei er schon von einem Starrkrampf �berfallen worden, jetzt aber sei bereits partielle K�lte und schon Todesschwei�, auch Delirien eingetreten; ich sei jetzt notwendiger als sie und m�ge eilen, ihm noch eine Labung auf dem letzten Wege zu geben. Ohne weitere Z�gerung ging ich denn auch an das Sterbebette, auf dem der arme Kaspar nach so kurzem Leben, ohne da� der Schleier desselben sich auch nur im mindesten l�ftete, schon nach zwei Stunden seinen Geist ausgehaucht hatte.
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����Wehmut, Ernst, Entsetzen waren die Gef�hle, welche mich beim Anblick des stillen, ergebenen Dulders bewegten; ich hatte M�he, die Tr�nen zur�ckzuhalten und einen kurzen stillen Kampf mit mir selbst zu bestehen, ehe ich mich dem Sterbenden n�herte, um ihm die Tr�stungen der Religion darzubringen. Er schlummerte gerade, wachte aber in dem Augenblicke auf, als ich mich seinem Bette n�herte. �Guten Abend, lieber Kaspar,� sagte ich, seine Hand fassend, die matt und kalt in der meinigen lag, �wie geht es Ihnen denn? Sie sind wohl recht krank? Ihr Lehrer und Freund steht vor Ihnen, dem Ihre Leiden recht nahe gehen; wie ist denn Ihr Befinden? wie f�hlen Sie sich denn?� �Wohl!� erwiderte er mir, �ich habe keine Schmerzen, aber meine Glieder werden mir so schwer, ich bin sehr m�de!� Nach diesen Worten schlo� er die Augen etwas, �ffnete sie aber bald wieder. Da fragte ich ihn: �Wollen Sie nicht beten, lieber Kaspar?� �Ich kann nicht beten!� antwortete er, und als ich ihn nach der Ursache fragte, so sagte er: �Ich bin so matt kann nicht sprechen die Gedanken vergehen mir gleich!� �Nun,� sprach ich zu ihm, �so will ich mit Ihnen beten oder vielmehr, ich will ein Gebet laut sprechen, was auf Ihre Lage pa�t, und Sie k�nnen das dann im stillen mitsprechen.� Da ihm das recht war, so faltete ich die H�nde. Alle Umstehenden taten es mit. Hauser aber erhob, so schwer es ihm ankam, die seinigen. Tiefe Stille herrschte unter allen Umstehenden und ich sprach im Namen Hausers etwa folgendes: �Gott, Vater in Jesu Christo, den ich auch als meinen Vater kennen gelernt habe, zu dir, der du in der Schule der Pr�fung mich fr�he schon ge�bt, aber immer treu und v�terlich besch�tzt hast, zu dir wende ich mich nun in diesen ernsten Augenblicken. Dich bitte ich, verla� mich mit deinem Troste nicht, und wie du deinen Engel einst meinem Heilande in seiner bangsten Stunde gesendet hast, so sende ihn jetzt mir. Dunkel wird es um mich, immer dunkler, ach la� das Licht deiner Gnade leuchten. Vergib dem s�ndigen Menschen, der jetzt so dringend zu dir flehet. Gib mir Kraft, damit ich christlich trage, was du mir auferlegt hast. Nimm dich meiner Seele an und erf�lle das Wort an mir: Nahet euch zu mir, so seid ihr selig aller Welt Ende! Jesus Christus, der du so liebevoll rufest: Kommet zu mir alle, die ihr m�hselig und beladen seid, ich will euch erquicken, erquicke auch mich, denn ich komme zu dir! Amen.� �Amen!� wiederholte Hauser und legte sich auf meine Frage, ob er etwa m�de oder ersch�pft sei, mit einem stillen �Ja� auf die rechte Seite, und schlummerte etwas ein. Bald erwachte er mit dem Begehren nach Wasser, welches ihm auch sogleich gereicht wurde. Nun nahte ich mich ihm wieder und sagte: �Lieber Hauser, wie ist denn der Zustand Ihres Gem�ts; sind Sie denn auch innerlich recht ruhig, dr�ckt Sie kein Anliegen, wof�r Sie Erleichterung w�nschen?� �Warum,� sagte er, �soll ich denn unruhig sein, ich habe ja alle Leute, die ich kenne, um Verzeihung gebeten. Der liebe Gott wird mich gewi� nicht verlassen.� �Nein,� antwortete ich darauf, �das wird der liebe Gott nicht, er wird sich freuen �ber Ihren christlichen demutsvollen Sinn, dessen �u�erungen ich, als Ihr Religionslehrer, mit gro�em Vergn�gen vernehme. Aber ich mu� Sie doch auch darauf aufmerksam machen, da� Christus, unser Herr, auch fordert, da� wir unsern Mitmenschen vergeben, und ich frage Sie deswegen in diesem ernsten Augenblicke, ob Sie auf niemanden in dieser Welt z�rnen, ob Sie keinen Groll auf jemand im Herzen haben?� �Warum sollte ich,� sprach er hier, �Groll oder Zorn haben, da mir niemand etwas getan hat!� Das ist nun eine �u�erung Hausers, aus welcher der Zweifel an seiner Redlichkeit Gift �ber Gift saugt. Mir aber, der ich sie in Zusammenhang mit Hausers ganzem inneren Leben, wie ich es kennen gelernt habe, bringe, mir, der ich die Stunde, in der er es sagte, genauer ins Auge fasse, f�llt es nicht ein, in dieser �u�erung etwas Verd�chtiges zu finden, und es sind nach meiner Meinung und Beobachtung nur drei Gesichtspunkte m�glich, aus denen sie betrachtet werden kann. Den ersten gibt Hausers au�erordentliche Gutm�tigkeit an die Hand, die vielleicht von dem M�rder gar nicht sprechen und lieber die Aufmerksamkeit von ihm wegwenden wollte. Den andern Grund finde ich darin, da� Hauser diese seine Worte in Zusammenhang mit den kurz zuvor von ihm gesprochenen brachte und sie auf seine Bekannten bezog. Der dritte Grund liegt in dem Augenblick des Sterbens. Hauser hatte da keine Erdensorge mehr, sein Gem�t war mit dem Himmlischen allzu sehr besch�ftigt, das Irdische war vergessen wie seine Wunde, von der er keinen Schmerz mehr empfand. Seine Seele hatte sich bereits �ber das Zeitliche erhoben. Dies ist mir das allerwahrscheinlichste. Da ich etwas unp��lich war, so wirkte die Luft des kleinen, ziemlich mit Leuten angef�llten Zimmers auf einmal sehr widerlich auf mich, und ich glaubte mich umso eher einige Augenblicke entfernen zu k�nnen, weil Hauser eingeschlummert war. Als ich wieder zur�ck kam, schlummerte er noch, wachte aber alsbald auf, indem er ungef�hr folgende Worte sprach: �Ach, diesen Kampf kann der Mensch nicht allein bestehen, er ist sehr schwer!� Ich entgegnete ihm: �Getrost, mein lieber Freund, und nach oben gesehen, dort wohnt ja der gute himmlische Vater, zu dem wir vorhin miteinander gebetet haben; der hilft sicherlich, denn er sagt nicht umsonst :F�rchte dich nicht, denn ich bin mit dir, weiche nicht, denn ich bin dein Gott.9 Halten Sie nur fest an seinen Wegen und vertrauen Sie sich ihm recht herzlich an.� Nach einiger Pause sagte Hauser, nachdem er wiederholt von einer weiten Reise, die er zu machen habe, gesprochen hatte: �Ja, das ist der rechte Weg, den ich nicht verlassen will.� Hierauf trat Herr Meyer an sein Bette, fa�te seine Hand und fragte im freundlichsten Tone: �Lieber H�user, haben Sie nichts mehr zu sagen?� und Hausers Antwort waren die herzlichsten Danksagungen an ihn und seine Gattin.
����Bald sagte er, von einigen Delirien unterbrochen: �Ach, das sind dunkle Wege, die Wege Gottes!� �Aber,� erwiderte ich, �Sie halten sie doch f�r Wege der Liebe und Gnade?� Ein festes �Ja� war seine Antwort. Da er �fters die H�nde faltete, so sagte ich ihm h�ufige Trostspr�che, die ich aber durchaus nicht mehr alle w�rtlich auff�hren kann. Unter anderen sagte ich das Gebet Jesu: �Vater, nicht mein Wille geschehe, sondern der deinige.� Als Hauser dieses wiederholte, so fragte ich ihn: �Wer hat dieses gesprochen?� �Der liebe Gott, Jesus Christus vor seinem Sterben!� �Nun wohl,� sagte ich darauf, �sei es auch Ihr Gebet jetzt, mein Lieber!�
����Da war es nahe an 10 Uhr geworden und Hauser, dem man fortw�hrend den Todesschwei� abtrocknen mu�te, wurde immer schw�cher, so schwach, da� er nichts Zusammenh�ngendes mehr reden und verstehen konnte. Glied f�r Glied starb langsam an ihm ab. Gerade als es 10 Uhr schlug, tat er den letzten Atemzug. Keine abschreckenden Gesichtsverzerrungen, keine Verdrehung der Augen und Glieder, wie man sie �fters an Sterbenden sieht, waren an ihm wahrzunehmen, nur einen �u�erst schmerzhaften Zug an seinem Munde glaubte ich zu bemerken. So sah ich ihn auch am folgenden Tage, die noch heftiger ausgebrochene Gelbsucht abgerechnet, ganz unentstellt.
����Am 19. Dezember wurde die Sektion vorgenommen, welche freilich eine entsetzliche Wunde sehen lie�. Sie ging von oben nach unten in schiefer Richtung und mu� mit gro�er Gewalt beigebracht worden sein, denn sie war tief in den K�rper eingedrungen, hatte den Herzbeutel durchstochen, das Herz unten an der Spitze geritzt, war durch die ungew�hnlich gro�e Leber gedrungen und hatte auch den Magen durchschnitten. Es ist zu verwundern, wie Hauser mit dieser schrecklichen Verwundung noch einen Weg von einigen tausend Schritten machen konnte und da� er nicht mehr Schmerzen und Be�ngstigungen hatte, da die Wunde nach innen entsetzlich blutete und aus dem zerschnittenen Magen die Speisen in den hohlen Leib gedrungen waren. Daraus mag sich denn aber auch der Umstand erkl�ren, da� er so h�ufig, besonders wenn er mit Sprechen oder Nachdenken angestrengt wurde, pl�tzlich erkl�ren mu�te, er k�nne nun nicht mehr, man m�ge ihn in Ruhe lassen. Man willfahrte ihm nat�rlich immer, aber es w�re zu w�nschen, er m�chte st�rker gewesen sein, damit sein so schreckliches Geheimnis entschleiert und der Gerechtigkeit der Weg zur Erreichung des M�rders ge�ffnet werden m�ge, �ber welchen alle teilnahmsvollen Gem�ter auf das �u�erste erbittert sind.
����Die Sektion bot aber auch einem unserer hiesigen �rzte, der dabei anwesend war, Stoff zu Untersuchungen �ber Hausers innere K�rperorganisation, sowie zu Nachforschungen nach Spuren �ber Hausers fr�heren Zustand dar und best�tigte dessen Angaben durch die gr��te Wahrscheinlichkeit. In das Journal f�r Chirurgie und Augenheilkunde von Gr�ffe und Walter, welches bei Reimer in Berlin erscheint, wird demn�chst hier�ber im 1. Heft des 21. Bandes ein Aufsatz von jenem Arzte unter dem Titel �Kaspar Hausers Verwundung, Krankheit und Leichen�ffnung� einger�ckt werden, der sich �ber die Sache weiter verbreitet, als es in diesen Bogen geschehen kann, und der, da er noch besonders abgedruckt wird, auch dem nicht�rztlichen Publikum zug�nglich ist und allgemeine Beachtung verdient. Wenn ich oben sagte, da� Hausers geistige Anlagen nur dann richtig gew�rdigt werden k�nnen, wenn man sie aus dem doppelten Standpunkt seiner fr�hen Einkerkerung und der dadurch gest�rten regelm��igen K�rperentwicklung beurteile, so mu� die letztere hergestellt und die erstere durch dieselbe bewiesen werden. Das tut nun jener oben erw�hnte Arzt mit gr��ter Evidenz und seine Beobachtungen in dieser Beziehung sind in der K�rze folgende:
����Hausers Lunge ist klein und beweist, da� sie mit keinem gro�en Ma�e �u�erer Luft zu k�mpfen hatte, sondern da� ihre Funktion nur auf sehr beschr�nkte Weise in Anspruch genommen worden sein mu�.
����Die Leber war ungew�hnlich breit und gro�, wie man sie auch bei Tieren findet, denen man die Gelegenheit zur freien Bewegung benommen hat, und spricht f�r die lange enge Einkerkerung Hausers.
����Die Galle war z�he und schw�rzlich, eine Folge des fr�heren langen Genusses von Kohlenstoff haltenden Vegetabilien, z. B. trockenen Brotes.
����Die Kleinheit und Roheit des Gehirns im allgemeinen, die relativ geringe Masse des gro�en und bedeutende Gr��e des kleinen Gehirns deuten n�chst den gr�beren und gr��eren Windungen an der Oberfl�che der Kopfh�hle auf sehr mangelhafte Entwicklung des Hirns. Die geistige Entwicklung Hausers war aber nicht sowohl durch mangelhafte Bildung des Hirnorgans gehemmt, sondern das Organ blieb in seiner Entwicklung durch Mangel aller fr�heren geistigen T�tigkeit und Erregung zur�ck und erlangte seine Reife und materielle Entwicklung nicht, welche bis zum siebten Lebensjahre als demjenigen, wo sie nach dem Naturgesetz gefordert werden kann, erfolgt ist. In diesem unvollkommenen Zustande wurde es bei der Leichen�ffnung vorgefunden, was als gen�gender Beweis gelten kann, da� Hauser geraume Zeit sich in einem Zustande befand, welcher die Gehirnentwicklung hemmte und aufhielt, so da� er auf einer niederen Bildungsstufe zur�ckbleiben mu�te. Aus diesem Umstande erkl�rt sich auch die Erscheinung, da� Hauser im Anfang sehr rasche, dann aber unverh�ltnism��ig langsamere Fortschritte machte, eine Tatsache, die ihn demnach bei manchen, welche mehr in ihm erwarteten als sich zeigte, ohne allen Grund in einem �blen Lichte erscheinen lie�. Daraus m�ge ferner entnommen werden, ob ihm so viel geistige Kraft zugetraut werden konnte, da� er, einem mit innern Widerspr�chen angef�llten Aufsatze in den Bl�ttern f�r literarische Unterhaltung zufolge sich selbst gemordet und f�nf Jahre lang die t�chtigsten M�nner am Irrseile herumgef�hrt haben soll.
����Am 29. Dezember war der Begr�bnistag des in jeder Beziehung Ungl�cklichen; es war ein Tag allgemeiner Teilnahme.
����Einfach, aber w�rdig und anst�ndig war die Leichenfeier angeordnet. Tausende von Menschen, kann man ohne �bertreibung sagen, waren auf dem Kirchhofe anwesend und dr�ngten sich an das Grab. Langsam fuhr unter feierlichem Glockengel�ute der Trauerwagen mit der irdischen H�lle des Verstorbenen daher, um sie zu ihrer Ruhest�tte zu bringen. Aus der Ferne und N�he wurden Blumen als letzter Beweis christlicher Liebe und Z�rtlichkeit gespendet, welche zum Teil den Leichnam im Sarge zierten, zum Teil von freundlicher Hand in das Grab gestreut wurden. Wer aber die Tr�nen z�hlen wollte, welche gef�hlvollen Herzen bei den Einsegnungsworten, die �ber die eingesenkte Leiche gesprochen wurden, entquollen, der w�rde das Unm�gliche unternehmen. Ebenso entschieden sprach sich die Teilnahme bei der am Altar der Gottesackerkirche gehaltenen Trauerrede aus.
����Hauser ist zwar begraben, aber sein selbst noch Ungewisser Name lebt noch in der Welt und die Erinnerung an die traurige Katastrophe, welche den armen J�ngling unserer Mitte entri�, ja das Andenken an dieselbe spricht sich mit solcher Lebendigkeit aus, da� fast kein Zeitungsblatt erscheint, welches nicht eine Nachricht �ber ihn und sein trauriges Ende enthielte. Zu bedauern ist nur, da� viele sprechen, ohne Hauser im Leben gekannt zu haben, da� manche unter ihnen mit heftiger Leidenschaft unbegr�ndete Urteile gegen den Bedauernswerten aussprechen, manche wiederum auf Kosten der Wahrheit die ganze Begebenheit in ein allzuromantisches Gewand kleiden, wodurch sie das unbefangene Urteil irref�hren und dem guten Hauser, indem sie f�r ihn entschiedene Partei nehmen, weniger n�tzlich sind als sie wollen.
����Noch ist keine Spur des Verbrechens, von welchem sich der Genius der Menschheit mit Entsetzen abwendet, mit Bestimmtheit entdeckt. Vielleicht wird das Menschengef�hl und die Rechtsliebe noch lange darauf warten m�ssen. �ber es ist kein Faden so klar gesponnen, er kommt doch endlich an die Sonne, sagt ein altes Sprichwort. Es lebt ein Gott, sagt der Christ, der v�terlich alles leitet, dessen Pl�ne wir anfangs gar oft nicht verstehen, aber sp�ter oft in diesem Erdenleben noch mit reum�tigem Danke preisen m�ssen, im Jenseits desto herrlicher erkennen werden, und der zur rechten Zeit alles Verborgene enth�llt. Vielleicht wird auch uns noch Licht �ber die bis jetzt in das schw�rzeste Dunkel geh�llte Begebenheit. Dann, Menschheit, preise den Herrn!��������������������Gedenkstein f�r Hauser im Hofgarten zu Ansbach
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